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Havoc - Verwüstung - Thriller

Havoc - Verwüstung - Thriller

Titel: Havoc - Verwüstung - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Harry White ging mit Riesenschritten auf seinen einundachtzigsten Geburtstag zu und war damit mehr als doppelt so alt wie Mercer, und doch waren sie seit
dem Moment, als sie sich in der Spelunke namens Tiny’s ein Stück die Straße hinunter kennengelernt hatten, Freunde. Einige Leute, die sie kannten, vermuteten, dass Mercer in dem Achtzigjährigen eine Art Vaterfigur sah, zumal er seine Eltern schon in jungen Jahren verloren hatte. Andere meinten dagegen, Mercer betrachte den alten Harry als seinen ganz persönlichen Sozialfall. Keine der Erklärungen entsprach auch nur annähernd der Wahrheit. Mercer hatte schon mehrmals versucht, ihre Beziehung zu analysieren, und die beste Erklärung, die er sich denken konnte, war die, dass sie beide eigentlich ein und dieselbe Person waren, lediglich durch einige Jahrzehnte voneinander getrennt.
    Harry hatte im Zweiten Weltkrieg für sein Land gekämpft und sich danach niemals darum bemüht, die Unterstützung in Anspruch zu nehmen, die für Kriegsveteranen bereitgehalten wurde. Denn er hatte aus einer moralischen Verpflichtung heraus gedient und war der festen Meinung, dafür keine materielle Gegenleistung verlangen zu dürfen. Er hatte alles gegeben und erwartete dafür nicht mehr als Loyalität. Er wusste aus eigenem Erleben, dass die Grenze zwischen richtig und falsch reichlich verschwommen war, dass es aber immer noch eine Schwelle gab, die man nicht überschreiten durfte. Er war überzeugt, dass Taten und Worte die gleiche Bedeutung hatten, und vertrat das Prinzip des Gebens und Nehmens, ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu erwarten oder gar zu verlangen. Er war das lebendige Beispiel dafür, was es bedeutete, zu der Generation zu gehören, die gerade heute so gern als die grandioseste überhaupt bezeichnet wird.
    Ohne dass es ihm bewusst gewesen war, hatte sich Mercer damals an den klassischen ethischen Grundwerten orientiert und nach einem ähnlichen Kodex gelebt. Daher gehörten er und Harry praktisch zur gleichen Generation. Sie waren
Menschen, die in ihrer Jugend einen schweren Verlust hatten hinnehmen müssen, die den Krieg überlebt hatten, immer noch um Freunde trauerten - und die nach wie vor an die Rechtmäßigkeit ihres Handelns glaubten.
    Harry wurde plötzlich ungehalten. »Und außerdem wolltest du doch nicht vor Ende des Monats wieder nach Hause zurückkommen.«
    Mercer trat hinter die Bar und schenkte sich einen Wodka Gimlet aus Jamaica Gold, Limonensaft und Ketel One ein. Für Harry mixte er einen Jack Daniels mit gerade so viel Ginger Ale, dass der Whiskey noch seine Schärfe behielt. »Beruhigend zu wissen, dass du es dir gemerkt hast, du mieser Knochen. In der Zentralafrikanischen Republik herrscht zurzeit Bürgerkrieg, oder hast du in letzter Zeit sogar vergessen, auch mal in die Zeitung zu schauen?«
    »Seit deiner Abreise habe ich jeden Tag deine Zeitung geklaut.« Harry nahm seinen Stammplatz an der Bar ein und trank einen tiefen Schluck, ehe er sich eine Chesterfield anzündete und seine Augen hinter faltigen Lidern verschwanden, die versuchten, den Rauch wegzublinzeln. »Aber wenn es keine Schlagzeile ist oder auf der Kreuzworträtselseite steht, dann achte ich nicht darauf.« Ein Anflug von Besorgnis schlich sich in seine von Whiskey und Zigaretten ruinierte Stimme. »Ist alles okay? Ich meine, ist dir nichts passiert?«
    Bevor ihm Mercer seine Geschichte erzählte, nahm er das Telefon von der Couch. Drag winselte im Schlaf. In den Monaten, seit Harry den Basset gefunden hatte, als er vor dem Müllcontainer hinter Tiny’s hockte und jaulend um etwas zu fressen bettelte, waren er und Mercer zu der Erkenntnis gelangt, dass der Hund unmöglich von Kaninchen träumen konnte. Von Schnecken vielleicht oder von arthritischen Faultieren, die eher seinem Temperament entsprachen. Mercer
wählte die Auskunft und ließ sich die Nummer der CDC in Atlanta geben.
    Nachdem er sich mit einem mehrsprachigen automatischen Antwortsystem herumgeschlagen hatte, schaffte er es schließlich, eine Telefonistin an den Apparat zu bekommen und sich mit einem Mitarbeiter verbinden zu lassen.
    »Personalabteilung, John am Apparat. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Hallo, John. Mein Name ist Harry White. Ich komme soeben aus Afrika zurück und glaube, dass die Fluggesellschaft mir ein Gepäckstück zugeteilt hat, das wahrscheinlich zu einem Ihrer Leute gehört.«
    »Der Name?« Es klang in Mercers Ohren so, als erhalte John seine Anweisungen für den Umgang mit

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