Havoc - Verwüstung - Thriller

Er hatte es gar nicht eilig damit, diesen Anblick zu verdrängen, doch dann meinte er: »Ich habe Sie in eine Limousine einsteigen sehen.«
    »Der Chef von NEST, Cliff Roberts, hat mich persönlich abgeholt. Und sofort angefangen, mir die Leviten zu lesen. Mein halber Hintern dürfte also noch in dem Lincoln liegen.« Cali warf das Haar, das ihr in die Stirn hing, mit einer knappen, geschickten Kopfbewegung nach hinten. Harry war wie verzaubert davon. »Sie drohten mir damit, mich zu feuern, dann wollten sie mich nur noch suspendieren. Am Ende wurde ich gezwungen, eine Woche freizunehmen und anschließend an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren.« Sie senkte die Stimme, um ihren Vorgesetzten zu imitieren. »Und zwar mit der angemessenen Grundhaltung eines Team Players. Ich beneide Sie darum, Mercer, dass Sie sich nicht mit Regierungsbürokraten herumschlagen müssen.«
    »Einer meiner ersten Jobs war ein Auftrag von der USGS. Was die Bürokratie betraf, war es damals eigentlich gar nicht so übel, aber ich wusste trotzdem, dass ich nicht lange dabeibleiben
würde.« Er rief sich ihre gemeinsame Zeit in dem Dorf ins Gedächtnis und konnte jetzt, da er den wahren Grund für ihr dortiges Erscheinen kannte, einige wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Dabei fielen ihm ein paar Ungereimtheiten auf. »Als Sie sich ins Gebüsch verdrückten, um vor neugierigen Blicken geschützt zu sein …?«
    »Habe ich meinen Geigerzähler kontrolliert. Wenn Sie etwas anderes gewesen wären als ein Geologe, hätte ich das ganz offen tun und irgendeine harmlose Geschichte dazu erfinden können. In diesem Fall hätten Sie den Schwindel sofort durchschaut, und so war ich leider gezwungen, heftigen Durchfall vorzutäuschen.«
    »Tut mir leid, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht hab. Wenn ich es mir recht überlege, waren Sie gar nicht mehr so blass, als Sie zurückkamen, und dann haben Sie sich auch erstaunlich schnell erholt.«
    Sie grinste. »Ich bin keine besonders gute Schauspielerin, und dass ich einen eisernen Magen habe, war nicht nur so dahergesagt.«
    »Und was hat der Geigerzähler Ihnen verraten?«
    »Es gab keine erhöhten Strahlungswerte. Egal wie umfangreich das Vorkommen gewesen sein mochte, es wurde während der dreißiger oder vierziger Jahre vollkommen abgebaut, und was an kontaminiertem Erdreich existiert hatte, muss durch die natürliche Erosion längst abgetragen worden sein.«
    »Ich neige dazu, dass die Mine in den dreißiger Jahren in Betrieb gewesen war«, sagte Mercer. »Kurz nachdem Bowie seine Entdeckung machte.«
    »Und dann erst kamen die Deutschen, um auszugraben, was Bowie übrig gelassen hatte?«
    »Darauf läuft meine Vermutung hinaus, ja. Aus dem Wenigen,
was mir Ms. Ballard bereits über Bowie erzählt hat, glaube ich entnehmen zu können, dass er kein Verräter war. Ich glaube eher, dass später jemand von seinem Fund erfuhr und zurückkam, um das Vorkommen auszubeuten.« Mercer bestellte eine weitere Runde Drinks. Sam, Jamal, Antoine oder wie auch immer der Pianist heißen mochte, er hatte wohl entschieden, dass die Bar nun von ausreichend vielen Gästen bevölkert war, um seine Version von As Time Goes By zum Besten zu geben. Wahrscheinlich brachte er diese Nummer jeden Tag ein Dutzend Mal zu Gehör. »Wie haben Sie Bowie gefunden?«, fragte Mercer. »Ich hab ihn über seine Universität aufgestöbert.«
    »Ich habe die Datenbank der Steuerbehörden angezapft.« Cali lutschte einen Eiswürfel, und Harry und Mercer verfolgten dabei gebannt die Aktionen ihres sinnlichen Mundes. Sie bemerkte das Interesse ihrer Gesprächspartner und beeilte sich, den Eiswürfel zwischen den Zähnen zu zerkleinern. Das Lutschen von Eiswürfeln war eine Gewohnheit, die mehr Aufmerksamkeit auf sich zog, als ihr lieb war. »Wenn es um die nationale Sicherheit geht, erhält das NEST zu einigen sehr wichtigen und umfangreichen Datenbanken Zugang. Da ich krankgeschrieben bin, habe ich die Suche von jemandem aus meinem Team durchführen lassen. Mein Mitarbeiter brachte mich zum Keeler College, mit dessen Rektor ich mich in Verbindung setzte. Dieser wiederum machte mich auf Serena Ballards Buch aufmerksam. Ich rief sie an, et voilà, hier bin ich.
    Was ich jedoch nicht ganz begreife«, fuhr sie fort, »ist, was diese Erzmine mit einem verschrobenen Professor für Frühgeschichte zu tun haben soll. Serena erzählte mir von Bowies Theorien - sie lassen sich mit dem, was wir gefunden haben, absolut nicht in Einklang bringen. Falls er