Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
Vom Netzwerk:
Seemann.
    »Ich habe seine Lippen beobachtet«, sagte der Priester mit schauerlicher Endgültigkeit. Tempeldiener ergriffen den zitternden Mann und schleppten ihn fort, da ihm seine Beine vor Schrecken den Dienst versagten. »Und du!« rief abermals die furchtbare Stimme, und der Stab stieß nach einem ahnungslosen Beobachter aus der Menge. »Beim heiligen Fest im Tempel des Oro bist du eingenickt. Du sollst der zweite sein.« Abermals fielen die Tempeldiener über den Sünder her und zogen ihn fort, aber sanft, damit das Opfer nicht zerschunden oder verunstaltet Oro dargebracht wurde. Feierlich zog sich der Hohepriester zurück und überließ König Tamatoa die erbärmliche Aufgabe, die anderen sechs Menschenopfer zu bestimmen. Er fragte: »Wo ist mein Adjutant?« und der junge, am ganzen Leibe zitternde Höfling trat aus dem Hintergrund hervor, wo er sich bisher verborgen hatte. »Warum wurde ich so spät zur Begrüßung des Heiligen gerufen? « wollte der König wissen.
    »Der Späher stolperte. Er war es, der sich verzögert hat«, entschuldigte sich der Adjutant.
    Aus einer der hinteren Reihen plärrte eine unvorsichtige Frauenstimme hervor: »Das ist nicht wahr!« Aber der Gatte der Frau, ein kleines Männchen ohne viel Verstand, wurde vor den König gezerrt, wo er wie ein abgerissenes Bananenblatt zu zittern begann. Der König betrachtete ihn mit Abscheu. »Er soll der dritte sein«, befahl er endlich.
    »Oh, bitte, nicht!« protestierte der Späher. »Ich bin gerannt so schnell ich nur konnte. Aber als ich zum Palast kam«, er deutete auf den Adjutanten, »schlief dieser da noch.«
    Der König erinnerte sich an seinen früheren Mißmut über den jungen Höfling und verkündete: »Er soll der vierte sein. Die andern werden von den Sklaven genommen.« Damit schritt er in seinen Palast zurück, während der Wächter und der Höfling, die schon von den Priestern gebunden wurden, vor Entsetzen über das Unheil erstarrten, in das sie einander gestürzt hatten.
    Als sich die furchtsame Menge zerstreute und jeder sich gratulierte, daß er für diesmal dem unersättlichen Hunger Oros entgangen war, stand ein junger Häuptling mit einem goldenen Tapa-Schurz, der seine Herkunft aus königlichem Geblüt bezeichnete, in bitterem Schweigen unter einem Brotfruchtbaum. Er hatte sich nicht aus Furcht versteckt, denn er war größer als die meisten und von wildem, kühnem Mut. Er hatte sich abseits gehalten, weil er den Hohepriester haßte, den neuen Gott Oro verachtete und gegen die stete Forderung nach menschlichen Opfern revoltierte. Der Hohepriester hatte natürlich sofort das Fehlen des jungen Häuptlings unter der Begrüßungsmenge bemerkt. Es war ein Bruch mit aller Sitte, der ihn so erregte, daß selbst während des feierlichsten Teils der Zeremonie sein durchdringender Blick umhergewandert war, um den jungen Mann zu suchen. Endlich hatte der Priester ihn gefunden, wie er mit unverschämter Lässigkeit an dem Brotfruchtbaum lehnte, und die beiden Männer hatten herausfordernde Blicke gewechselt, die erst von einer jungen Frau mit goldener Haut und langem Haar, in dem Bananenblüten steckten, unterbrochen wurden. Sie zerrte an dem Arm ihres Mannes und zwang ihn, auf sie herabzublicken.
    Als nun die Zeremonie beendet war, begann das stattliche Weib zu sprechen: »Teroro, du solltest nicht mit zu der Versammlung gehen.«
    »Wer sollte dann unser Kanu lenken?« fragte er ungeduldig. »Ist ein Kanu so wichtig?«
    Ihr Mann blickte sie verwundert an. »Wichtig? Was gibt es Wichtigeres?«
    »Dein Leben«, sagte sie einfach. »Kluge Seefahrer stechen nicht in See, wenn die Wolken Unheil verkünden.«
    Er überging ihre Befürchtungen und schlenderte verärgert zu einem Baumstamm, der halb in der Lagune lag. Wütend ließ er sich darauf nieder, tauchte seine braunen Füße in das silbrige Wasser und pantschte wild darin herum, als hasse er selbst das Meer. Aber bald trat sein schönes Weib hinzu, umhüllt von dem lieblichen Duft der Bananenblüten, und setzte sich neben ihn. Da war sein Ärger bald verflogen. Selbst als er zu dem kleinen Bergvorsprung emporblickte, wo der Tempel der Insel stand, in dem die Priester jetzt die ausersehenen Opfer Oro weihten, verfiel er nicht wieder in die blinde Wut, die ihn bei der Zeremonie ergriffen hatte.
    »Ich fürchte mich nicht vor der Versammlung, Malama«, sagte er fest. »Ich fürchte mich für dich«, antwortete seine Frau.
    »Sieh das Kanu dort!« schweifte er ab und wies auf den

Weitere Kostenlose Bücher