Hawaii
Wellen umspülten meine Fersen. Ich habe die anderen Inseln besucht. Die Buchten von Moorea sind lieblich. Tahitis Gipfel sind eine Freude für das Auge, und der lange Strand von Havaiki ist das auch. Aber unser Eiland ist dem Menschen ein Himmel auf Erden. Und wenn ich geopfert werden muß, um dieses Eiland mit den neuen Göttern zu versöhnen, so werde ich mich opfern lassen.« Das Bild ihrer Jugend auf Bora Bora, das Tamatoas Worte heraufbeschworen, erreichte, was seine Arglist nicht vermocht harte, und Teroro rief:
»Bruder, geh nicht nach Havaiki!«
»Warum nicht?« fragte Tamatoa, drehte sich auf den Fersen um und kehrte auf seine Matte zurück.
»Weil dein Aufbruch zu den Göttern Bora Bora nicht erlösen wird.«
»Und warum nicht?« wollte Tamatoa wissen. Sein Gesicht war dicht vor Teroro.
»Weil ich, wenn die Keule niederfällt, den Hohepriester töten werde. Wie eine Bestie würde ich durch Havaiki rasen und es zerstören. Und dann würden die anderen Inseln uns zerstören.«
»Wie ich es mir gedacht habe!« sagte der König schroff. »Du planst Aufruhr. Oh, Teroro. Du wirst damit nichts ausrichten. Du darfst nicht mit auf die Versammlung kommen.«
»Ich werde mitgehen«, murmelte Teroro störrisch.
Der König stand ernst in dem morgendlichen Schatten und deutete mit seinem rechten Zeigefinger auf Teroro. »Ich verbiete dir, Bora Bora zu verlassen.«
In diesem Augenblick wurde der Schlachtenkönig Tamatoa, dieser stämmige Mann mit dem ernsten Gesicht, dem jüngeren Bruder zum Symbol unbedingter Autorität; und vor dem ausgestreckten Zeigefinger begann Teroro fast zu zittern. Obwohl er seinen Bruder an diesem Finger fassen, die Hand ergreifen konnte und schließlich den starken Arm, um ihn auf die Matte zu einem offenen Gespräch herunterzuziehen, hätte er sich doch nie getraut, den König zu berühren; denn er wußte, daß der König das Instrument der Götter war, durch das sie Bora Bora Macht und Ansehen und himmlische Weihe verliehen. Wer den König berührte oder auf seinen Schatten trat, entzog ihm einen Teil dieser himmlischen Macht und bedrohte dadurch nicht nur den König, sondern auch den Staat. Aber Teroros Sehnsucht nach einer Aussprache mit dem Bruder war so groß, daß er sich hinwarf, auf dem Bauch zu ihm hinkroch und seinen Kopf vor dessen Füße auf den Boden preßte. Er flüsterte: »Setz dich zu mir, Bruder, und laß uns miteinander reden.« Und während die Fliegen in der Morgenhitze summten, unterhielten sich die beiden Männer.
Sie waren ein stattliches Paar. Sechs Jahre trennten sie voneinander; denn eine Schwester war zwischen ihnen geboren worden, und jeder von ihnen war sich des Bandes bewußt, das ihn an den andern kettete. In ihrer Jugend waren ihnen an einem Festtag die Pulsadern geöffnet worden und jeder hatte das Blut des anderen getrunken. Ihr Vater, der als Opfer Oros gestorben war, hatte seinen ersten Sohn Tamatoa, das Kriegerkind, genannt; und als der jüngere Sohn geboren wurde, meinte die
Familie: »Wie glücklich! Wenn Tamatoa einmal König ist, wird er einen Bruder haben, der ihm als Hohepriester dienen kann.« Und das jüngere Kind wurde Teroro genannt, das Gehirn - die Weisheit, die verworrene Dinge schnell durchschaut. Aber bisher hatte er noch nicht bewiesen, daß er den Namen zu Recht trug. Tamatoa allerdings hatte sich zum klassischen Inselstreiter entwickelt. Er war rauh, grobknochig und ernst. Wie seine geweihten Vorfahren hatte er Bora Bora vor allen Ränken und Verschwörungen bewahrt. Sechsmal in den neun Jahren seiner bisherigen Regierung hatte er sich gezwungen gesehen, die Überfälle des mächtigen Havaiki zurückzuschlagen, so daß die plötzliche Vormachtstellung des Gottes dieser Insel, Oro, besonders bitter war. Der Erzfeind schien mit Arglist unterwerfen zu wollen, was er im Kampf nicht hatte erobern können. Teroro dagegen hatte sich seines Namens nicht würdig erwiesen und verriet in nichts, daß er Priester zu werden gedachte. Er war groß und sehnig und hatte ein hübsches, mageres Gesicht; er schlug sich gerne, hatte einen ungestümen Sinn und war langsam von Begriff. Am bedauerlichsten aber war sein Unvermögen, die Genealogie und die heiligen Gesänge zu behalten. Er liebte die Seefahrt, den Ruf unbekannter Meere. Schon war er mit seinem Kanu bis zu dem fernen Nuku Hiva vorgedrungen, und ein Abstecher hinunter nach Tahiti war für ihn ein vertrautes Vergnügen.
»Ich fürchte, daß du es bist, dem die Götter den Regenbogen
Weitere Kostenlose Bücher