Hawaii
wie ihre Mutter. Sie kann lesen und schreiben, spricht Englisch und löst leichtere Rechenaufgaben. Ich bin sicher, daß sie gottergeben ist und daß sie eines der ersten vollen Mitglieder der Kirche sein wird.« Als er dem Mädchen das sagte, strahlte sie.
Malama zu unterrichten war schwieriger. Die große Alii war hartnäckig bis zum Eigensinn. Sie verlangte, daß alles bewiesen wurde, und sie hatte eine störende Eigenschaft, über die sich Lehrer oft beklagen: Sie behielt, was der Erzieher am Tag zuvor gesagt hatte. Nach jeder Unterrichtsstunde wiederholte sie sich Schritt für Schritt den Gang der Belehrung, und wenn Abner dann zurückkehrte, konnte sie ihn auf seine eigenen Widersprüche aufmerksam machen. In der Geschichte der Erziehung gibt es sicher wenig Schulklassen, in denen es lustiger zuging als in der, wo Malama von Abner unterrichtet wurde. Sie pflegte dabei auf ihrem mächtigen Bauch zu liegen, ihr rundes Mondgesicht in die Hände zu stützen und zu befehlen: »Zeig mir den Weg, auf dem ich zur Gnade gelange.«
»Das kann ich nicht«, antwortete Abner beständig. »Den müßt Ihr selber finden.«
Was den Unterricht so schwer machte, war nicht Malamas intellektuelle Unnachgiebigkeit, die bedeutend war, sondern die Beharrlichkeit, mit der sie alle Fragen in gebrochenem Englisch zu beantworten suchte. Sie hatte im Englischen schnell Gottes erwählte Sprache erkannt, da die Bibel in Englisch geschrieben war und da diejenigen, die Gott nahestanden, in dieser Sprache dachten.
Sie war entschlossen, Englisch zu lernen.
Abner seinerseits bestand ebenso fest darauf, den Unterricht in Hawaiisch zu halten, denn er sah sehr wohl, daß er nur dann Erfolg in der Bekehrung der Inseln zum Christentum haben konnte, wenn er die Sprache der Eingeborenen beherrschte. Viele der Alii in Honolulu konnten zwar Englisch, aber er wollte nicht nur zu den Alii sprechen. Jedesmal also, wenn Malama eine Frage in gebrochenem Englisch an ihn richtete, antwortete er in noch schlechterem Hawaiisch, und stotternd ging der Unterricht voran. Als er zum Beispiel gegen das Verspeisen von Hunden wetterte, hörte sich die Unterhaltung so an: »Hund ist gut kau kau. Warum magst du nicht?« fragte Malama.
»Poki pilau, pilau«, erklärte Abner verächtlich.
»Schwein schläft immer im Schmutz. Meinst du, Hund macht das auch?«
»Kela mea, kela mea ißt pua'a. Pua'a ist gut. Poki schlecht.« Wenn jeder seine eigene Sprache benutzt hätte, dann wäre die Unterhaltung einfach gewesen, denn jeder verstand die gesprochene Sprache des anderen jetzt sehr git. Aber Malama bestand unnachgiebig darauf, die erste in Maui zu sein, die englisch sprach, und Abner war nicht weniger entschlossen, seine erste Predigt in der neuen Kirche in fließendem Hawaiisch vorzutragen. Verwirrend war auch etwas anderes für Abner. Jedesmal, wenn es ihm gelungen war, die große Malama in einen logischen Engpaß zu treiben, so daß ihr nächstes Wort das Eingeständnis ihrer Niederlage hätte bringen müssen, rief sie ihre Mägde, die sie massieren mußten. Während ihr nun der Leib geknetet und die großen Mahlzeiten in ihren Eingeweiden herumgeschoben wurden, lächelte sie milde und sagte: »Fahr fort! Fahr fort!«
»Wenn also zivilisierte Nationen keine Hunde essen, sollten es auch die Menschen in Hawaii nicht tun«, fuhr Abner fort, und Malama befahl ihren Frauen, ihm mit Federwischen die Fliegen aus dem Gesicht zu vertreiben: »Kokua das Gesicht dieses einen Mannes. Zu viele Fliegen sind darauf. Armer Kerl.« Und während Abner wütend mit den aufreizenden Federn focht, zerrann ihm sein Beweis.
Die beiden Widersacher achteten jedoch einander. Malama wußte, daß es dem kleinen Missionar um nicht weniger ging als um ihre ganze Seele. Er fand sich mit keinem Ersatz ab, und er war ein ehrlicher Mann, dem sie vertrauen konnte. Sie wußte auch, daß er tapfer war und jedem Feind entgegentreten würde; und sie ahnte, daß er durch sie ganz Maui gewinnen wollte. Gar keine schlechte Idee, dachte sie im stillen. Von allen Weißen, die bisher nach Lahaina kamen - und sie erinnerte sich an Walfischer, Händler, Militärs -, ist er der einzige, der mehr brachte, als er fortnahm. Und wozu will er mich schließlich bringen? fragte sie. Ich soll verbieten, daß die Männer in die Wälder gehen, um Sandelholz zu schlagen. Er will, daß ich bessere Fischteiche anlege und mehr Taro baue. Er will, daß ich die Mädchen vor den Matrosen schütze. Er will, daß ich die kleinen
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