Hawaii
Bora Bora zurück.
Die siebenundzwanzig Überlebenden der Mannschaft fanden kaum einen zusammenhängenden Gedanken. Sie hatten ohnmächtig zusehen müssen, wie ihre Reihen durch Oros Willen gelichtet worden waren, und sie hatten die Verwirrung ihrer Führer geteilt. Entgegen der Meinung des Hohepriesters waren sie eher erfreut als beunruhigt darüber gewesen, daß Teroro seine Zeit mit Tehani verbrachte, denn Mato hatte den Befehl verbreitet, daß Teroro lebend nach Bora Bora zurückgebracht werden müsse. Sie vermuteten nun, daß König Tamatoa Rache plane, und sie hofften, daran teilzunehmen. Aber über einen triebhaften Vergeltungsdrang hinaus konnten sie nicht sehen.
Eine Empfindung wurde von allen im Boot geteilt, und das geschah, als die Reisenden am Ende dieses Tages, gerade ehe sie in die heimatliche Lagune einfuhren, sahen, wie die Sonne im Westen unterging und ihr goldenes Licht über die wunderbare Insel ergoß. Jeder, welche Pläne er auch mit sich herumtragen mochte, fühlte: Das ist die schöne Insel. Das ist das Land, das die Götter besonders ausgezeichnet haben.
Bora Bora am Ende einer Reise wiederzusehen, während der Sonnenuntergang seine Gipfel vergoldete, die dunkle Nacht schon aus den Tälern stieg, und die Vögel heimwärts flogen; zu sehen, wie die letzten Strahlen der Sonne am Antlitz der Berge aufstiegen, bis die Spitzen erreicht waren und damit auch die Dunkelheit, daß man am liebsten geschrien hätte: Halt! Halt! Laß den Tag nicht zur Neige gehen, ehe wir das Land erreichen! In der Lagune das Spielen der Kinder zu hören und das Echo von den Stätten der Heimat, während draußen der Ozean brüllt -Bora Bora so zu erleben, das hieß, die Schönheit selbst zu erleben.
Übergroßen Schmerz litt deshalb der König, als er seinen Bruder zum Palast führte und ihn bat, sich auf der weichen
Pandanus-Matte niederzulassen. Nachdem er sorgfältig die Mattenwände herabgelassen und sich so vor Spionen geschützt hatte, legte er sich nieder und blickte Teroro an. Geheimnisvoll und mit leiser Stimme sprach er die bedeutsamen Worte: »Ich habe erkannt, daß wir Bora Bora verlassen müssen.«
Teroro war wie betäubt. Er hatte nie einen solchen Rückzug in Erwägung gezogen, da er noch immer nicht die unhaltbare Position erkannt hatte, in die er mit seinem Bruder hineinmanövriert worden war. »Warum sollten wir gehen?« fragte er schweratmend. »Hier ist kein Platz mehr für uns.«
»Wir können kämpfen! Wir können töten... «
»Wen sollen wir bekämpfen? Das Volk? Die andern Inseln?«
»Wir könnten..»
»Wir können nichts mehr, Teroro.«
»Aber wo sollen wir hin?«
»Nach Norden.«
Der einfache Satz schloß Folgerungen in sich, die für Teroro schwer zu fassen waren, und während die Idee von der Oberfläche seines Bewußtseins tiefer in ihn hinabsank, konnte er nur die überraschenden Worte seines Bruders wiederholen: »Nach Norden?« Er dachte daran, daß vor Hunderten von Jahren andere Kanus nach Norden aufgebrochen waren, legendäre Kanus, die nie wieder zurückgekehrt waren. Es gab jedoch ein geheimnisvolles altes Lied, das die Richtung angab, in der ein fernes Land zu erreichen war, das unter den SIEBEN KLEINEN AUGEN lag, dem heiligen Siebengestirn, dessen Erscheinen den Anfang des neuen Jahres bezeichnete. Und einige glaubten, mit dem Lied sei soviel gesagt, daß mindestens eines der legendären Kanus von der Fahrt zurückgekehrt sein mußte. Die Worte des Liedes kamen ihm in den Sinn:
Segle nach den SIEBEN KLEINEN AUGEN
Dort wird ein Land bewacht von kleinen Augen.
Aber als er die Worte aussprach, wurde er zornig, denn sie führten ihm vor Augen, wie er von Bora Bora fliehen mußte.
»Warum sollen wir bloß gehen?« fauchte er.
»Rede keinen Unsinn, Teroro«, sagte der König unwirsch. »Als du nach Nuku Hiva gesegelt bist, hast du da irgend etwas Bestimmtes über die Kanus erfahren, die einmal nach Norden gefahren sind?«
»Nein«.
»Es soll doch ein altes Lied geben.«
»Niemand weiß, wo es eigentlich herkommt.«
»Was ist sein Inhalt?«
»Wenn ich mich recht erinnere, heißt es darin, man solle segeln, bis man zu einem Land kommt, das unter den SIEBEN KLEINEN AUGEN liegt.«
»In wie vielen Tagen?«
»Einige sagen dreißig, andere fünfzig.«
»Teroro, wenn wir uns entschließen, mit dem nächsten Sturm, der uns einen Westwind bringt, aufzubrechen, wie viele Leute könnten wir in unserem Kanu mitnehmen?«
»Würden sie uns erlauben WARTET-AUF-DEN-WESTWIND zu
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