Hawaii
können.«
»Dann gehe ich nicht mit«, sagte Teroro trotzig.
»Ich brauche dich«, erwiderte der König. »Kennst du denn kein junges Mädchen, das du mitnehmen könntest?« Noch ehe Teroro antworten konnte, wurden die Matten des Palastes zurückgeschlagen und ihr Onkel, der alte Tupuna, mit schneeweißem Haarknoten auf dem Kopf und einem wehenden Bart, betrat den Raum. Er war fast siebzig, ein erstaunliches Alter auf jenen Inseln, wo ein Mann von dreiunddreißig Jahren, wie der König, schon zu den Älteren zählte. Deshalb sprach er auch mit großer Würde. »Ich komme zu den Söhnen meines Bruders«, sagte er gewichtig und setzte sich zu ihnen auf die Matte. »Ich komme zu meinen eignen Kindern.« Der König betrachtete den alten Mann vorsichtig und sagte dann mit leiser
Stimme: »Onkel, wir legen unsere Sicherheit in deine Hände.«
Mit einer volltönenden Stimme, die Alter und Weisheit gedämpft hatten, sagte Tupuna: »Ihr denkt daran, Bora Bora zu verlassen und wollt, daß ich mit euch gehe.«
Die Brüder waren sprachlos und blickten umher, ob sich irgendwelche Spione im Palast versteckt hielten. Aber der Priester versicherte sie. »Alle Priester wissen, daß ihr aufbrechen wollt«, sagte er wohlwollend. »Wir haben gerade darüber gesprochen.«
»Aber wir haben selbst noch nichts davon gewußt, als wir vor einer Stunde diesen Raum betraten«, protestierte Teroro.
»Es ist das einzig Vernünftige, was ihr tun könnt«, bemerkte Tupuna.
»Willst du mit uns gehen?« fragte Tamatoa geradezu.
»Ja. Ich habe den Priestern gesagt, daß ich zwar Oro treu bin, daß ich aber meine Familie nicht ohne einen Mittler zwischen ihnen und den Göttern ziehen lassen kann.«
»Wir könnten ohne dich nicht gehen«, sagte Teroro.
»Werden sie uns WARTET-AUF-DEN-WESTWIND mitnehmen lassen?« fragte der König.
»Ja«, antwortete der alte Mann. »Ich habe vor allem darum gebeten, weil ich als jüngerer Mann mithalf, die Stämme zu weihen, aus dem es gebaut wurde. Ich bin froh, daß es mein Grab werden soll.«
»Dein Grab?« fragte Teroro. »Ich hoffe, daß wir Land finden, irgendwo.«
»Alle, die in Kanus aufbrechen, hoffen Land zu finden«, lachte der alte Mann nachsichtig. »Aber von allen, die auszogen, kehrte keiner je wieder zurück.«
»Teroro hat mir gerade gesagt, daß du Segelanweisungen kennst«, erwiderte der König. »Irgend jemand muß also zurückgekehrt sein.«
»Es gibt Segelanweisungen«, gab der alte Priester zu. »Aber woher stammen sie? Sind sie ein Traum? Sie fordern uns auf, nach einem Land zu segeln, das von den SIEBEN KLEINEN AUGEN bewacht wird. Aber vielleicht gibt das Lied nur dem Traum aller Menschen Ausdruck, daß es irgendwo ein besseres Land geben müßte.«
»Dann wissen wir also nichts über diese Reise?« unterbrach ihn Tamatoa.
»Nichts«, antwortete Tupuna. Doch verbesserte er sich: »Wir wissen nur eins: besser reisen als hierbleiben.«
Ein Schweigen trat ein, und dann überraschte Teroro den König mit der an Tupuna gerichteten Frage: »Haben sie sich bereitgefunden, uns unsere Götter, Tane und Ta'aroa mitnehmen zu lassen?«
»Ja«, sagte der alte Mann.
»Ich bin froh«, sagte Teroro. »Wenn ein Mann bis an das andere Ende des Ozeans fährt - wenn er wirklich zu einer Reise wie der unseren aufbricht...«
Er beendete seinen Satz nicht, aber Tupuna sprach für ihn mit seiner tiefen prophetischen Stimme: »Wird es dort Menschen geben, wohin wir gehen?
Niemand weiß es. Schöne Frauen? Niemand weiß es. Werden wir Kokosnüsse finden, und Brotfruchtbäume und fette Schweine? Werden wir jemals Land finden? Wir wissen nur, Söhne meines Bruders, Söhne meines Herzens, daß - solange wir in den Händen der Götter sind - auch unser Hinschwinden auf dem großen Ozean, unser Tod, nicht unbemerkt bleiben wird.«
»Und wir wissen noch etwas«, fügte der König hinzu. »Wenn wir hierbleiben, werden wir langsam, einer nach dem anderen geopfert werden: unsere Familie, unsere Freunde. Oro hat es über uns verhängt. Er hat gesiegt.«
»Darf ich das dem Hohepriester sagen? Es wird unseren Aufbruch erleichtern.«
In völliger Demut antwortete der König: »Du darfst es ihm sagen.«
In diesem Augenblick kam von dem Strand herauf ein Geräusch, das alle drei Strategen in Spannung versetzte und sie aus reifen Männern zu Kindern werden ließ. Während sie den aufregenden Laut hörten, weiteten sich ihre Augen vor Freude, und ein jeder warf die Abzeichen seiner Würde von sich und eilte
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