Hawaii
irgendeine besondere Gunst für sein Volk. Schließlich gab er seine Einwilligung, woraufhin die Älteste auf ihren mageren Beinen in die Mitte der Menge sprang und die gute Neuigkeit verkündete: »Der König sagt, daß wir heute nacht das Kürbisspiel spielen wollen!« Mit gedämpfter Erregung trennten sich Männer und Frauen und stellten sich in zwei Gruppen einander gegenüber. Dann trat König Tamatoa feierlich zwischen die beiden Gruppen und warf den Männern einen mit Federn besteckten Kürbis zu, der im Schein der Flammen glänzte. Ein Häuptling fing ihn auf, vollführte einige rituelle Schritte und warf den Kürbis in einem hohen Bogen den begehrlichen Frauen zu. Ein junges Mädchen, das lange nach diesem Mann geschmachtet hatte, sprang in die Luft, riß den Kürbis an sich und rannte damit zu dem Mann, der ihn geworfen hatte. Es hängte sich an seine Hüfte und drängte ihn leidenschaftlich nach dem Schatten, während der gefiederte Kürbis hin und her flog und so die Schlafgenossen für die wilde
Nacht bestimmte. Teroro, der unter allen Mädchen dieser Insel hätte wählen können, nahm seine Frau, Malama, den unwiderstehlichen Clown, und als sie friedlich in der silbergrauen Dämmerung beieinander lagen und die zeitlosen Wellen der Lagune wieder das laute Getümmel der Nacht abgelöst hatten, gestand Teroro: »Tamatoa hat sich entschlossen, die Insel zu verlassen.«
»Ich dachte mir schon, daß er zu einem Entschluß gelangt sei«, sagte Malama. »Er war so vergnügt.«
»Was ich nicht verstehen kann, ist, warum der Hohepriester den alten Tupuna mit uns ziehen läßt, und auch warum er uns WARTET-AUF-DEN-WESTWIND gibt.«
Malama erklärte es: »Er ist klug. Er weiß, daß die Inselbewohner gerne Auseinandersetzungen vermeiden, die andere demütigen könnten. Es ist gut so.« Ihre Worte widerstritten so sehr seinen eignen Racheplänen, daß er sie fragte: »Und wie steht es mit der Demütigung, die wir auf Havaiki erlitten? Würdest du sie auch vergessen?«
»Ja«, sagte sie fest. »Wenn wir erst einmal sicher auf einer anderen Insel gelandet sind, können wir es uns leisten, Havaiki zu vergessen.« Er wollte ihr eröffnen, daß sie nicht mit auf die Reise durfte, aber er fand nicht die richtigen, schonenden Worte, und so schlief er vor Feigheit ein. Aber nach einer Weile erwachte er halb und murmelte: »Du warst sehr komisch heute nacht, Malama. Du warst wirklich wundervoll.«
Als der Entschluß des Königs, Bora Bora zu verlassen, von einem Dorf zum anderen flüsternd weitergetragen wurde, bot die Insel ein seltsames Bild dar; denn niemand wollte offen zugeben, daß der König die Insel verlassen werde. Der Hohepriester fuhr fort, Tamatoa in aller Öffentlichkeit seine Hochachtung zu zollen, und dem alten Tupuna begegnete man täglich bei seinem Gebet zu Oro. Junge Häuptlinge, die entschlossen waren, sich der Expedition anzuschließen, umarmten ihre Frauen, die wahrscheinlich zurückgelassen werden mußten. Aber unter diesem Schein der Gleichgültigkeit widmeten sich alle nur einer Arbeit: das Kanu für eine Ungewisse Reise auszurüsten.
Besondere Sorgfalt wurde auf den Proviant verwandt. Es war ziemlich einfach, die Nahrungsmittel haltbar zu machen, die auf der Überfahrt verzehrt werden sollten. Sie wurden an der Sonne getrocknet und mit Palmblättern in kleine Bündel gepackt. Was viel mehr Umsicht erforderte, war die Auswahl von Wurzeln und Schößlingen für das neue Land. Erfahrene Männer sammelten Taro-Wurzeln, die die graublauen Knollen bildeten, aus denen das beste Poi gewonnen wurde, Kokosnüsse, die von den größten Palmen stammten, Brotfrüchte, die nicht zu hoch wurden und große Früchte trugen, die reich an dem süßen, klebrigen Saft waren. Der weißhaarige Tupuna verwandte drei Tage darauf, die fleischigsten Hühner und eßbare Hunde auszuwählen, denn er erinnerte seine Schutzbefohlenen immer wieder daran, daß sie nach einem Land aufbrachen, das sehr arm sein konnte. Dann kam der Tag, da die Abreise kaum länger verheimlicht werden konnte, denn Teroro verkürzte mit einer Seemuschelsäge kühn die hochgezogenen Enden des Kanus um drei Meter. »Wir können auf unserer langen Reise nicht so gewaltigen Schmuck gebrauchen«, erklärte er.
»Auweh!« riefen die Männer und Frauen entlang der Küste. »Das große Kanu von Bora Bora wird entweiht.« Vorsichtig reichte Teroro die geschnitzten Enden herab, und Priester trugen sie in den Tempel. Die Menge sah ihm zu, während er mit
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