Hawaii
zuvor so sehr gedemütigt worden waren. Mit der größten Vorsicht wurde das Doppelrumpf-Kanu festgemacht, ehe es ein Späher hatte ausmachen können, und dreißig entschlossene Männer stiegen aus dem Kanu, das sie mit zwei Wachen zurückließen. Sie schlichen auf das Dorf zu, wo der dicke Tatai schlief, der zum König von Bora Bora bestimmt worden war. Die Rächer hatten das Dorf fast erreicht, als ein Hund anschlug, woraufhin eine Frauenstimme rief: »Wer stiehlt unsere Brotfrüchte?« Sie ließ ein Alarmzeichen ertönen, aber ehe es noch zu einer wirksamen Aktion kommen konnte, war Teroro mit seinen Leuten schon über das Dorf hergefallen und suchte all diejenigen heraus, die ihn beleidigt hatten, vor allem den dicken Tatai selbst. Teroro führte die Rächer in Tatais Anwesen. Dort angelangt, brach Pa mit dem Haifischgesicht in die größte Hütte ein und zerschlug alles, was ihm begegnete. Eine sanfte flehende Mädchenstimme flüsterte: »Er ist nicht hier, Teroro.«
Dann schrie sie schmerzlich auf, denn Pas große Keule hatte sie getroffen. Auf dem Boden wimmerte sie: »Er ist nicht hier.«
Pa wollte ihr gerade den Schädel einschlagen, als ihn Teroro fortdrängte und das Mädchen mit seiner linken Hand in Sicherheit zog. In dem Schein des Feuers, das die wachsame Frau entzündet hatte, um ihre Brotfruchtbäume zu schützen, erkannte Teroro, daß Tehani nackt war, bis auf einen Rock, den sie rasch ergriffen hatte und nun vor sich hielt. Abermals bezauberte ihn ihre strahlende Schönheit. Von ferne hörte er die Stimme seines Bruders: »Kennst du kein junges Mädchen?«
Und dem Impuls des Augenblicks folgend, hielt er Tehanis Gesicht dicht an seines und fragte mit rauher Stimme: »Willst du mit mir in den Norden ziehen?«
»Ja«.
»Bist du verletzt?«
»Meine Schulter«
»Gebrochen?«
»Nein«
»Warte im Kanu auf mich.« Er drängte sie zur Küste, kam ihr nochmal nach und murmelte: »Wir sind hergekommen, um deinen Vater umzubringen. Möchtest du auch jetzt noch mit mir gehen?«
»Ich werde am Kanu auf dich warten«, sagte sie. Jetzt hörte er Mato schreien: »Wir haben ihn gefunden! «
»Laß ihn mir«, bat Teroro und schwang seine Keule, aber als er den hingestreckten Körper Tatais erreichte, sah er, daß Pa ihn schon getötet hatte. Während er eine Handvoll Gras vom Dach der Hütte riß und auf das Haupt des Toten streute, rief er höhnisch: »Der neue König von Bora Bora.«
»Zum Kanu!« rief der Steuermann. »Nicht ehe wir diesen Ort verwüstet haben!« antwortete Teroro, riß jener Frau die Fackel aus der Hand und schleuderte sie auf das Grasdach der nächsten Hütte. Der aufkommende Wind trug die Flammen weiter, und bald stand Oros heiliger Kanal und die Umgebung seines Tempels in hellen Flammen. In diesem Licht zogen sich die Männer von Bora Bora zurück. Am Kanu war der Kampf schon in vollem Gange. Nur das rasche Hinzukommen der andern konnte das Schiff noch retten; denn der eine Wächter lag bereits erschlagen da und der zweite war verwundet. Als die Leute von Bora Bora die Angreifer zurückgetrieben hatten und in das gestutzte Kanu gesprungen waren, rannte Tehani von einem Palmengebüsch herzu und rief: »Teroro! Teroro!«
»Verräterin!« riefen die besiegten Krieger Havaikis, die schon dabei waren, eine Beschönigung ihrer Niederlage zu erfinden. Sie warfen die Speere nach ihr und hätten in ihrer Wut das Mädchen umgebracht, wenn nicht Teroro aus dem Kanu in die Brandung gesprungen wäre, um sie zu retten. »Wir sind in Gefahr!« warnte der Steuermann, der mit dem Kanu abstoßen wollte.
Aber Teroro rannte weiter, bis er das Mädchen erreicht hatte. Er schwang sie auf den Arm, wich den schwirrenden Speeren aus, eilte zum Strand zurück und stürzte sich in die Brandung. Er hätte das Kanu nicht erreicht, wenn nicht auch Mato in den Kanal gesprungen wäre und das Mädchen ergriffen hätte, dessen Schulter so verletzt war, daß sie nicht schwimmen konnte. Zusammen hoben sie Tehani in das Kanu und fuhren in Richtung auf Bora Bora davon. Noch ehe sie Havaiki aus der Sicht verloren, sagte Teroro zu dem Mädchen: »Wir haben deinen Vater gefunden.«
»Ich weiß«, antwortete sie.
Die Rückreise verlief in Hochstimmung. Havaiki geschlagen und jenen Fremden, der sich erdreistet hatte, Bora Bora regieren zu wollen, bestraft zu haben, erfüllte die Männer mit großer Befriedigung. Hinzu kam die Schadenfreude darüber, daß, wenn Havaiki je wagen sollte, zur Vergeltung zu schreiten, die
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