Hawaii
einen Kampf zu liefern.
Nachmittags fuhren die Beamten des Konsulats in einem schwarzen Wagen vor und erklärten der Menge: »Ernste Dinge ereignen sich in Asien. Abermals bedroht uns das ewige Übel China, und wir können noch nicht sagen, welche schwerwiegenden Maßnahmen unser herrlicher Kaiser treffen muß. An diesem feierlichen Tage sollten wir unser Leben von neuem dem Lande weihen, das wir lieben.« Es wurde noch viel von den geheimnisvollen Vorgängen gesagt, die das Vaterland bedrohten, aber niemand wußte eigentlich, worum es sich handelte. Immerhin wurde in dieser Stunde der Not eine Sammlung zur Unterstützung des Kaisers veranstaltet, und die Sakagawas geben das Geld, das für Reikochans neues Kleid bestimmt war. Sie durfte das Geld in die Sammelbüchse werfen und zitterte dabei vor Liebe zu Japan. Jetzt wurden die Feierlichkeiten auf den öffentlichen Platz in Kakaako verlegt, wo die Menge unter einem indischen Feigenbaum die alten rituellen Bon-Tänze Japans vollführte. Die Kinder spielten in diesem Tanz eine wichtige Rolle und bewegten sich in ihren bunten, flatternden Kimonos durch die Tanzfiguren. Einer
Gruppe älterer Frauen, die ihren Bon-Tanz noch in japanischen Bauerndörfern gelernt hatten, traten die Tränen in die Augen, als sie der zarten Reikochan zusahen, die sich graziös unter den Tanzenden bewegte. Eine der alten Frauen fragte: »Ob sie wohl weiß, wie schön sie ist? Eine so reine Haut und so japanische Augen!«' Kamejiro, der diese Lobesworte hörte, errötete und sagte den Frauen: »Wir erziehen Reikochan so, daß sie einmal in Japan als gute Japanerin gelten kann.«
»Das ist sie schon jetzt«, sagten die Frauen bewundernd. Als die Feierlichkeiten zu Kaisers Geburtstag zu Ende gingen, setzte die alte Verwirrung wieder ein, und Kamejiro sagte zu seinen Söhnen in einem Atemzug: »Dieser heilige Tag sollte euch daran erinnern, wie wichtig es für uns ist, nach Japan zurückzukehren«, und: »Ihr Jungen habt gesehen, daß
Reikochan nicht in Jefferson angenommen worden ist. Ihr müßt es auf jeden Fall schaffen.« So wurde die winzige Sakagawa-Hütte wieder in einen Exerzierplatz verwandelt, auf dem die Kinder nur Englisch sprechen durften.
Schon im ersten Jahr bewies Jefferson seinen Erfolg. Mit besseren Lehrern und einer besseren Ausstattung versprach das Institut, Schüler heranzubilden, die in Englisch bewandert waren und an den Hochschulen auf dem Festland gute Prüfungen ablegen würden. Einige der Plantagenbesitzer fragten sich, ob die Englische Normalschule nicht vielleicht zu gut war. Hoxworth Hale bemerkte einmal: »Nun, man bekommt in Jefferson fast eine ebenso gute Ausbildung wie in Punahou. Eine von Steuergeldern erhaltene Schule darf nicht so gut sein.« Aber es wurden noch schwerwiegendere Einwände laut, denn den Arbeiterkreisen war klargeworden, daß ihre Kinder auf den Normalschulen nicht zugelassen wurden, selbst wenn sie noch so vorzüglich englisch sprachen, und einige Arbeiter sagten schon: »Wir zahlen Steuern zur Unterstützung dieser guten Schulen, die nur diejenigen unterrichten, die auch auf eine Privatschule gehen könnten. Unsere eignen Kinder sollten auch auf diese Schulen dürfen, denn dann würde der Unterschied zwischen den Klassen in der Gesellschaft endlich verringert.«
Manchmal, wenn Kamejiro abends Reikochan zuhörte, wie sie ihre Brüder in Englisch unterrichtete, dachte er: Jeder in Hawaii hat es besser als die Japaner. Man braucht sich nur die verdammten Kees anzusehen! Sie besitzen große Läden, und ihre Söhne gehen nach Punahou. Als die Chinesen nach Hawaii kamen, muß es einfacher gewesen sein.
Jetzt war Goro an der Reihe, sein Glück in Jefferson zu versuchen, und wie seine Schwester stand er vor einer Jury aus drei Lehrerinnen. Wie Reiko brachte er die besten Zeugnisse mit: »Leistungen 1. Betragen 2. Amerikanische Bürgerkunde 1. Englisch 1. Dieser Junge hat ungewöhnliche Kenntnisse in Geschichte.« Die Prüfung begann, er erklärte den Lehrerinnen in angenehm fließendem Englisch den Bürgerkrieg.
Es sah so aus, als müßten sie ihn annehmen, da erinnerte sich eine der Lehrerinnen an ein Mittel, das besonders wirksam war, um festzustellen, ob ein Kind wirklich Englisch konnte. Sie hob langsam ein Blatt Papier auf und riß es durch.
»Was habe ich mit dem Blatt Papier getan?« fragte sie. »Sie haben es zerbrochen«, sagte Goro sogleich.
Abermals zerriß die Lehrerin das Papier und fragte: »Was habe ich diesmal
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