Hawaii
bedrängte den siebzehnjährigen Tadao, er solle eingestehen, was er ausgefressen habe; die Familie war nämlich überzeugt, daß es sich um Detektive handelte. Keine anderen Haoles in blauen Anzügen und weißen Kragen waren je in japanische Wohnungen gekommen, und langsam verschworen sich die unbelasteten Mitglieder der Familie Sakagawa gegen den ersten aus ihrer Reihe, der in Schwierigkeiten geraten war. Die peinliche, erschreckende Rechtlichkeit der japanischen Familie tat sich kund, und Reikochan rief: »Du, Tadao. Was hast du getan? Den ganzen Tag arbeite ich und gebe mich auf der HotelStreet mit Tunichtguten ab. Sollte mein Bruder einer von ihnen sein?«
»Tadao!« schrie Kamejiro und schlug auf den Tisch. »Was hast du getan?« Der große, stille Junge wußte nicht, was er antworten sollte, so begann sein kräftigerer Bruder: »Du mit deiner verdammten Torheit! Angenommen die Polizei nimmt dich mit, dann kannst du auf McKinley nicht mehr in die Mannschaft. Und ich muß mich schämen, auf dem Spielfeld zu erscheinen. Sag uns! Was hast du getan?«
Der schuldlose und verwirrte Junge zitterte vor dem Ausbruch seiner Familie. Soweit er zurückdenken konnte, hatte er nichts begangen, aber die Männer waren gekommen. Kamejiro, der mit verzweifelter Anstrengung gearbeitet hatte, um seine Familie so zu erhalten, daß Hiroschima stolz auf sie sein konnte, sah, daß seine Anstrengungen nutzlos geblieben waren, und verbarg sein Gesicht in den Händen. »Niemand kann seine Kinder anständig erziehen«, stöhnte er. Sein Kinn zitterte vor Scham und Schmerz. Es klopfte an der Tür, und die Sakagawas sahen einander voll Schrecken an. »Bleib hier!« flüsterte Kamejiro seinem Sohn zu und stellte ihn dorthin, wo die Männer ihn sogleich ergreifen konnten. ln seiner Familie rannte niemand davon. Dann biß er sich auf die Lippen, um seine Schande zu verbergen, und öffnete die Tür.
»Herr Sakagawa?« fragte der erste der Herren. »Ich bin Hewlett Janders, und das hier ist John Whipple Hoxworth, und dieser Herr in Schwarz«, er lachte ein wenig, »das ist Hoxworth Hale. Guten Abend.« Die drei Industriekapitäne Hawaiis betraten den kleinen Raum, standen einen Augenblick verlegen da und lachten schließlich, als Reikochan in Englisch rief: »Jungens, schafft ein paar Stühle herbei!«
»Wir würden uns schon gerne setzen«, sagte der große Hewlett Janders lachend. »Mächtig feines Haus haben Sie hier, Herr Sakagawa. Selten so schöne Blumen gesehen. Sie müssen eine glückliche Hand damit haben.« Goro übersetzte rasch, und Kamejiro verneigte sich. »Sag ihnen, daß ich Blumen liebe«, bat er. Goro übersetzte und fügte entschuldigend hinzu: »Vater schämt sich, daß er kein Englisch spricht.«
»Du verstehst jedenfalls gut, dich in der Sprache auszudrücken«, bemerkte Hewlett. »Du bist Goro, nehme ich an?«
»Ja.«
Die drei Herren musterten ihn beifällig, und schließlich sagte Hewlett scherzend: »Du bist der Bursche, den wir hassen.«
Goro errötete, und Reikochan unterbrach: »Wir dachten, Sie wollten Tadao sehen. Dies hier ist Tadao.«
»Ich weiß, Fräulein Sakagawa. Aber das hier ist der junge Bursche, über den wir uns Sorgen machen.«
Eine Spannung trat ein. Niemand wußte eigentlich, was vorging und welche sonderbare Wendung die Unterhaltung nehmen würde. Nun sprach Hoxworth Hale, der älteste und würdigste der Besucher; und wie immer, wenn er das Wort ergriff, kam er sogleich zum Kern der Sache. »Wir sind ein inoffizieller Ausschuß der Punahou-Schule. Wir sind es leid zu sehen, wie unsere Mannschaft von erstklassigen Athleten wie diesem Goro hier über den Haufen gerannt wird. Junger Mann, du hast eine großartige Zukunft vor dir. Korbball und vor allem Fußball. Wenn du je Hilfe brauchst, wende dich an mich.«
»Dann sind Sie nicht gekommen, um einen von uns zu verhaften?« fragte Reikochan.
»Gütiger Himmel, nein!« antwortete Hale. »Haben wir heute nachmittag diesen Eindruck gemacht?«
»Meine Mutter versteht nicht...«, begann Reiko, aber die Erleichterung, die sie verspürte, war so groß, daß sie nicht reden konnte. Sie legte die Hand auf ihren Mund, um ihr Zittern zu verbergen, und dann umarmte sie Tadao. »Bewahre, nein!« fuhr
Hale fort. »Ganz im Gegenteil, Fräulein Sakagawa. Tatsächlich sind wir so beeindruckt von Ihrer Familie, daß wir heute abend hergekommen sind, um Ihrem Bruder Tadao ein volles Stipendium für Punahou anzubieten, weil wir einen Läufer wie ihn brauchen«
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