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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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einmal Rechtsanwalt bin und Millionen Dollar verdiene, dann gehören sie alle dir.« Er sprach in schnellem Englisch, und die Tränen rannen ihm herunter. Dann begann auch Tadao zu weinen, der außerordentlich gut in der Schule war, wenn auch nicht so gut wie seine Schwester, und die beiden jüngeren Brüder, die wußten, daß ihre Schwester davon geträumt hatte, Lehrerin zu werden, schlossen sich ihm an. Das war zuviel für Kamejiro, der diese bittere Entscheidung hatte treffen müssen, und auch ihm rannen die Tränen über das Gesicht.
    Nur Sakagawas Frau weinte nicht. »Es ist ihre Pflicht«, versicherte sie ihrem zitternden Mannsvolk. Aber als sie sah, wie ihrer lieblichen Tochter die Tränen in den Augen hingen, mußte auch sie sich eingestehen, daß die Pflicht oft furchtbar bitter war. Sie riß ihr Kind an sich und weinte. Kamejiro Sakagawas Barbierladen war ein ungeahnter Erfolg. Er wurde gerade in dem Augenblick eröffnet, als die amerikanische Besatzung in Hawaii erweitert wurde, Matrosen aus Pearl Harbor und Soldaten von den Schofield-Kasernen drängten sich in der Hotel-Street, um sich von einem Künstler tätowieren und von einer Dame rasieren zu lassen. Aber der eigentliche Grund für Kamejiros Aufstieg waren die drei zauberhaften japanischen
    Mädchen, die die Herren bedienten. Sie hatten einen olivfarbenen Teint, pechschwarze Haare und sanfte Augen, und sie sahen besonders reizend in den weißen Kitteln aus, die sie blütenrein hielten. Oft leisteten sich die Männer eine zusätzliche Rasur, nur um die Mädchen häufiger zu sehen, denn es war doppelt angenehm, sich von einem weiblichen Friseur behandeln zu lassen, der obendrein eine Japanerin war. Es dauerte nicht lange, und die ständigen Kunden baten die Mädchen um Verabredungen. Aber hier schritt Kamejiro ein. Gleich bei Eröffnung des Friseurgeschäfts hatte er seinen Mädchen gezeigt, wie sie sich der Kunden erwehren konnten, die nach ihren Beinen langten. Er zeigte ihnen auch, daß eines der besten Mittel gegen allzu aufdringliche Kunden ein heißes Handtuch war, das sie dem Mann im Augenblick über das Gesicht werfen sollten, da er seinen Antrag machte. Er riet ihnen, den lästigsten Schürzenjägern dadurch den Mut zu nehmen, daß sie sie mit ihrer Rasierklinge leicht an der Ohrmuschel ritzten, wo das Blut frei hervorquellen konnte. Aber das hatte für gewöhnlich die entgegengesetzte Wirkung, denn die Mädchen bereuten gewöhnlich diese Tat, pflegten die verwundeten Kunden mit um so größerer Hingebung und fragten, wenn sie die Schnitte mit dem Blutstiller betupften, so zärtlich: »Schmerzt es sehr?«, daß die Männer noch mutiger zurückkehrten. Bei Ladenschluß wartete mancher Bummler in der Hotel-Street auf die Mädchen. Aber Kamejiro ließ die weiblichen Friseure antreten und marschierte mit ihnen in geschlossener Gruppe zunächst vor das Haus des Sakai-Mädchens, wo er dem Vater voll Stolz zurief: »Sakaisan! Hier ist deine Tochter sicher und wohlbehalten.« Dann gingen sie zu den Hasegawas, und er rief: »Hier ist Rumiko, sicher und wohlbehalten.« Und auch in der Tür seines eignen Hauses blieb er zunächst einmal stehen und rief seiner Frau zu: »Hier ist unsere Tochter. Sicher zu Hause.« Die japanische Bevölkerung staunte, wie gut es Kamejiro mit seinem Laden ging, und alle waren sich darüber einig, daß Reikochan eine vorzügliche Friseuse war.
    Dann wurde die Familie Sakagawa 1938, während Goros letztem Jahr auf der McKinley-Mittelschule, wie von einem wahren Bombenschlag getroffen. Eines Nachmittags im Juli sprachen drei Herren in blauen Anzügen bei den Sakagawas in Kakaako vor und fragten: »Frau Sakagawa, wo ist Tadao?« Yoriko konnte nur sehr wenig Englisch und sagte: »Tadao, er nicht hier.«
    »Wann kommt er heim?« wollte einer der Herren mit steifem Kragen wissen.
    »Ich nicht wissen.«
    »Heute abend?«
    »Hontoni, hontoni!« nickte sie. »Bestimmt.«
    »Sagt ihm, er soll hier warten«, baten die Herren, und wenn sie gelächelt hätten, wie es sich gehörte, dann wäre ein großer Teil der Furcht von der Familie abgefallen. Aber sie lächelten nicht, denn Frau Sakagawa, die von übergroßer Arbeit gebeugt und runzlig war, erschreckte sie. So starrten sie die Frau nur an, und diese starrte zurück.
    Als die Familie am Abend zusammentraf, stand Frau Sakagawa im Mittelpunkt des Interesses. Viermal wiederholte sie die Rolle, die sie bei jener geheimnisvollen Begegnung am Nachmittag gespielt hatte, und alles

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