Hawaii
Kenderdine.
»Noch nie was gehört davon«, schnauzte Hale, woraufhin der junge Lehrer ein wenig die Geduld verlor und etwas sagte, was er gerne sogleich wieder zurückgenommen hätte.
»Das kann ich mir denken, Herr Hale. Es sind zufällig drei der größten Romane unserer Zeit.«
»Oh«, brummte Hale, der den Sarkasmus nicht verstanden hatte. »Nun, gleichviel. Ich habe nie von ihnen gehört. Wovon handeln sie?«
»Familiengeschichten, Herr Hale. EINE VERLORENE FRAU ist ein großartiges Meisterwerk. Ich wünschte, daß jeder in Honolulu Glenway Wescotts DIE GROSSMUTTER lesen könnte. Es würde so vieles über Hawaii und Punahou erklären. Und dieses letzte Buch sollte von jedem gelesen werden, der aus einer großen, weitverzweigten Familie stammt. OHNE MEINEN MANTEL von Kate O'Brien. Es spielt in Irland, aber es handelt von Ihnen und Bromley, Herr Hale.«
»Wissen Sie, Herr Kenderdine, ich mag Sie nicht, und ich mag nicht Ihr Benehmen, und ich könnte mir denken, daß, bei Licht besehen, Bromley durch Ihren schlechten Einfluß auf Abwege geraten ist. Ich weiß nicht, was Punahou...«
»Herr Hale, ich mag Sie auch nicht«, sagte der junge Erzieher gleichmütig. »Ich mag nicht einen Mann, der eines der witzigsten, vielversprechendsten Stücke Prosa, die mir je von einem Schüler unter die Augen gekommen sind, lesen kann, ohne zu erkennen, was sein Sohn da geleistet hat. Herr Hale, wissen Sie, warum es in Hawaii so furchtbar langweilig ist, warum es solch eine Wüste des menschlichen Geistes darstellt? Weil niemand über diese Inseln nachdenkt. Niemand hat je über sie geschrieben. Haben Sie sich noch nie darüber gewundert, daß Leute aus Nebraska gute Romane über Nebraska und Leute aus Mississippi herrliche Sachen über Mississippi schreiben? Warum schreibt nie jemand über Hawaii?«
»Da ist Stevenson«, protestierte Hale und fügte strahlend hinzu: »und Jack London!«
»Großer Schund«, erwiderte Kenderdine verächtlich.
»Wollen Sie damit sagen, Sie lehren unsere Kinder, daß Jack
London... »
»Was er über Hawaii schrieb? Schund. Was irgend jemand sonst über Hawaii geschrieben hat? Schund, Herr Hale.«
»Wen erkennen Sie dann an?«
»Ich stelle Tatsachen fest. Und die wichtigste Tatsache ist, daß niemand über Hawaii schreibt, weil die großen Familien, wie die Ihre, ihre Söhne und Töchter nicht dazu anhalten zu denken - zu fühlen und erst recht nicht, sich mitzuteilen. Sie haben da eine gute Sache vor sich liegen, und Sie dulden nicht, daß irgendwelche Fragen darüber gestellt werden.«
»Junger Mann, ich habe genug von Ihnen«, sagte Hoxworth steif. »Ich betrachte Sie als einen Typ, der zu gefährlich ist, als daß wir ihm junge Leute anvertrauen dürften. So muß ich als ein Mitglied des Verwaltungsrates von Punahou...»
»Sie wollen mich hinauswerfen?«
»Ich wäre pflichtvergessen, wenn ich es nicht täte, Herr Kenderdine.«
Der junge Mann lehnte sich aufreizend in seinem Stuhl zurück und blickte auf die Lichter von Pearl Harbor. »Und ich würde die Pflichten eines Menschen, der diese Inseln liebt, vergessen, wenn ich es unterließe, Ihnen zu sagen, wie gleichgültig es mir ist, was Sie tun wollen und wann. Ich habe zugesehen, wie Sie die Erziehung aufhalten. Ich habe beobachtet, wie Sie die Arbeiter aufhalten. Ich habe gesehen, wie Sie versuchen, die Regierung aufzuhalten. Gegen diese Verbrechen an der Gesellschaft konnte ich nichts unternehmen. Aber wenn Sie versuchen, ein großes Talent aufzuhalten, Ihren eignen Sohn, der - wenn er gefördert würde - das Buch schreiben könnte, das Licht auf diese Inseln würfe, dann muß ich Einspruch erheben.
Ich wußte nichts von dem erstaunlichen und großartigen Essay Ihres Sohnes, bis ich ihn las. Ich bekam mein Exemplar spät, aber ich werde es immer wie einen Schatz bewahren. Wenn er einmal ein großer Mann wird, dann werde ich das Buch um so mehr schätzen. Ich finde darin einige meiner eigenen Worte, und ich freue mich, daß er wenigstens etwas von mir gelernt hat.«
»Genug, Herr Kenderdine! Sie können gehen!« Hale schritt ungeduldig vor den großen Fenstern auf und ab und wartete darauf, daß der unverschämte junge Mann aufbrechen würde. Aber der Englischlehrer zündete sich erst eine Zigarette an, tat zwei Züge und erhob sich dann langsam.
»Ich bin entlassen, Herr Hale. Aber nicht auf Grund Ihres Urteils. Ich war schon entlassen, als ich herkam. Ich kann Ihr Spiel keinen Tag länger ertragen. Ich habe mich zur Marine
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