Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
Vom Netzwerk:
Trommel dröhnte.
    In der regnerischen Frühdämmerung überblickte dann der König in düsterer Stimmung, was ihn die Siegesfeier gekostet hatte, und dachte einen Augenblick lang: Was für Kinder wir sind. Wir entdecken, daß wir die Richtung verloren haben, und eine halbe Stunde später essen wir die Ration von einer ganzen Woche auf. Zerknirscht gab er den bündigen Befehl, daß das, was verschwendet worden sei, durch strenge Rationierung wieder aufgeholt werden mußte. »Obwohl wir noch genügend Wasser haben«, mahnte er, »darf jeder täglich nur eine Tasse
    trinken.«
    So segelten sie mit den Ausläufern des Sturms im Rücken und mit dem Sieg im Herzen nach Osten. Die neunte Nacht, die zehnte, die fünfzehnte verstrich. Ihr Kanu, das schnellste größere Schiff, das bis dahin die Weltmeere durchfahren hatte, leistete im Durchschnitt zweihundert Meilen täglich. Das waren mehr als acht Meilen pro Stunde. Sie segelten den halben Weg bis zu dem Land, wo die Azteken ihre mächtigen Tempel errichteten. Auf dem Kurs, den sie jetzt eingeschlagen hatten, hätten sie kein Land angetroffen, es sei denn, sie wären bis zum Kontinent gesegelt. Aber ehe sie den erreicht hätten, wären sie in den Kalmen vor Hunger und Durst umgekommen. Dennoch fuhren sie weiter, so wie es Teroros Plan vorschrieb. Jeden Morgen, wenn die Sonne aufging, wurden sie von Furcht ergriffen und erlebten jeden Abend mit großer Freude die Rückkehr der Sterne, die ihnen ihren Fortschritt verkündeten Denn der Tag war ihr Feind, erfüllt von Ungewißheit und dem stündlichen Eingeständnis, daß sie sich auf verlorenem Posten befanden. Aber die Nacht brachte Trost, die Sicherheit der bekannten Sterne, das Anwachsen des großen Mondes durch alle seine Phasen und den sanften Schrei der Vögel in der Abenddämmerung. Wie ungeheuerlich war dieses Erlebnis, wenn nach einem langen Tag, an dem es nichts gegeben hatte als die unverläßliche Sonne, die Nacht heraufzog. Wie schön war es, wenn im Westen, wo die Sonne unterging, der Abendstern mit seinem wandernden Begleiter stand, und wenn aus der großen Leere die KLEINEN AUGEN hervorlugten und ihre Botschaft brachten: »Ihr nähert euch dem Land, das wir bewachen.« Wie wundervoll, wie wundervoll war die Nacht!
    Als das Kanu weiter nach Osten gelangte und der Sturm nachließ, festigte sich die tägliche Routine mehr und mehr. Jeden Morgen unterbrachen die Sklaven ihr Wasserschöpfen und säuberten das Kanu, während sich die Bauern um die Tiere kümmerten und sie fütterten. Die Schweine und Hunde erhielten
    Fische, die in den frühen Morgenstunden gefangen wurden, zerstampfte Süßkartoffeln und frisches Wasser, das sich an den Segeln niedergeschlagen hatte. Die Hühner erhielten getrocknete Kokosnüsse und einen Fisch vorgeworfen, an dem sie herumpicken konnten. Wenn sie aber zu lange mährten, schoß etwas Dunkles, Geschmeidiges aus dem Laderaum hervor und zerrte ihnen das Futter fort, ohne daß die Sklaven es bemerkten. Denn wie auf allen solchen Fahrten hatten sich einige Ratten an Bord geschlichen, und wenn die Reise schlimm enden sollte, so waren sie gewiß die letzten, die starben - denn während vieler Tage würden sie sich noch von jenen nähren können, die schon umgekommen waren. Wenn die Frauen in dem Grashaus erwachten, gingen die Sklavinnen hinein, schüttelten das Bettzeug aus und besorgten die anderen Haushaltsarbeiten. Vor allem mußten sie jene Ecke in der Hütte rein halten, die durch einen Tapa-Vorhang abgetrennt war und wohin sich die Frauen in ihrer monatlichen Regel zurückzogen. Dinn waren sie tabu und jeder Verkehr zwischen Männern und Frauen in dieser Zeit hatte den Tod zur Folge. Im allgemeinen jedoch mußten manche Tabus, die auf dem Land streng beachtet wurden, auf dem überfüllten Kanu gemildert werden. Wäre zum Beispiel auf dem Land einer aus der Rudermannschaft dem König so nahe gekommen, wie ihm jetzt alle waren, wären sie auf seinen Schatten getreten oder den seines Gewandes -, so wären sie sogleich getötet worden. Auf dem Kanu mußte dieses Tabu aufgehoben werden.
    Wenn der König durch das Schiff ging, wurde er nun sogar manchmal von seinen Leuten berührt. Sie zuckten dann zusammen, als wären sie verloren, aber der König überging diese Beleidigung.
    Auch die Tabus, die sich auf das Essen bezogen, mußten aufgehoben werden. Denn es gab niemanden auf dem Schiff, der nach seinem Stand berechtigt gewesen wäre, die Mahlzeiten des Königs zu bereiten, so wie es

Weitere Kostenlose Bücher