Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
Vom Netzwerk:
Moderniste zu sein, war ihr höchstes Ziel. »Dies Mädchen hat Verstand«, sagte Goro. »Ich wette, daß sie nicht aus Hiroschima stammt«, hänselte ihn Shig. »Hast du Hiroschima gesehen?« fragte Goro. »Ppppssskkk!« Er fuhr mit seiner Hand flach über den Fußboden. »Ich möchte nichts mit Hiroschima zu tun haben.«
    »Mama wird sehr unglücklich sein«, warnte Shig. »Du hast den weiten Weg nach Japan zurückgelegt, und nun bist du nicht klug genug, ein Hiroschima-Mädchen zu finden.«
    »Das ist mein Mädchen«, sagte Goro, als sich Akemi wieder zu ihnen gesellte, und wenn sie an einen Tisch trat - an welchen immer -, dann fügte sie dem Gespräch eine neue Dimension hinzu. Ihre schlanke Gestalt wurde von einer elektrisierenden Lebenskraft beherrscht, der man bei so vielen Menschen im neuen Japan begegnete.
    Um Mitternacht flüsterte sie: »Bald werden die Gäste gehen, und dann kommt erst unser Vergnügen.« Sie wartete geduldig, bis die langsamen Trinker ihr Glas leerten, und jedem sagte sie ein herzliches Gute Nacht, um sich seiner Rückkehr zu versichern. Als dann der letzte gegangen war und der Barwirt die Lichter löschte, seufzte sie und sagte: »Ich wünschte, daß die Getränke nicht so teuer wären. Die Männer würden sie schneller hinunterstürzen. «
    Sie öffnete die Tür einen Spalt breit und flüsterte: »Keine MPs.« Dann eilten die drei einige der winzigsten Gäßchen entlang, die man sich vorstellen kann und die kaum genügend Platz für zwei aneinander vorübergehende Menschen boten. Schließlich kamen sie zu einer dunklen Haustür, die Akemisan langsam öffnete und die in einen ziemlich großen Raum führte, in dem ein Dutzend junger Männer und Frauen saßen und einem ausländischen Grammophon zuhörten, das Musik spielte, die Shig und Goro nicht bekannt war.
    Aber auf dem Plattenspieler lag noch das Album, und im Licht eines Scheinwerfers konnten sie lesen, was darauf stand: Mahlers Kindertotenlieder, gesungen von einem deutschen Chor. Schweigend setzten sich die Neuankömmlinge auf den Boden. Als dann die Musik zu Ende war und mehr Lichter angezündet wurden, sahen sie sich inmitten einer lebhaften Gruppe von Japanern, die aus hübschen jungen Männern und Mädchen zusammengesetzt war. Die Unterhaltung drehte sich um Paris, Andre Gide und Dostojewski. Es wurde viel Französisch geredet, und da sich Shig von der Schule her eine oberflächliche Kenntnis der Sprache bewahrt hatte, wurde er freundlich in die Gruppe aufgenommen.
    Dann wandte sich die Gruppe dem neuen Japan zu: Gleichberechtigung der Frauen, Zertrümmerung des Großgrundbesitzes, die Bedeutung der Arbeiterklasse, und sowohl Shig wie Goro konnten viel zu der Unterhaltung beitragen. Aber gerade, als es den Anschein machen wollte, als sei das alte Japan für immer tot, erschien Akemi in einem dünnen, ausgefransten Kimono, der für diesen Zweck neben dem Grammophon aufbewahrt wurde. Schweigen breitete sich in dem Zimmer aus, und jeder nahm die vorgeschriebene Haltung an, während Akemi das Zeremoniell der Teebereitung durchführte. Und als dann Akemi den Tee nach dem alten Ritual servierte, ahnte Shig, daß sich diese jungen Japaner nicht von ihm unterschieden: Sie waren vom Wandel der Geschichte überrascht worden, und während sie sich mit einem Teil ihres Wesens französische Wörter und alles, was modern war, aneigneten, ruhten die Anker ihrer Seele doch noch in dem unaussprechlichen Geheimnis des alten Japans. Hawaii und Japan stehen demselben Problem gegenüber, dachte Shig. Als dann aber die schlanke Akemi ihm zunickte, daß er an der Reihe sei, und als ein anderes Mädchen auf den Knien zu ihm hinkroch, um ihm den bitteren Tee zu reichen, nahm er die Schale in beide Hände, wie man es ihn gelehrt hatte, und drehte sie, damit ihr kostbares Randstück nicht seine unwürdigen Lippen berührte. Als die Zeremonie beendet war und die Unterhaltung wieder aufgenommen wurde, sagte das Mädchen, das den bitteren Tee gereicht hatte: »Die amerikanische Militärpolizei kann alles zerstören, nur nicht die Teezeremonie. Wie schwer ihr uns auch in unserer Seele treffen wollt, ihr scheint sie doch immer zu verfehlen.«
    Die Bemerkung verwirrte Shig, und er sagte: »Da ich kein Militärpolizist bin, kann ich hierauf nichts antworten. Was mich betrifft, so bin ich hier, um die Freiheit zu bringen.«
    »Welche Freiheit?« fragte das Mädchen böse.
    »Land für die Bauern«, sagte Shig, und einige Minuten lang war er der Held des

Weitere Kostenlose Bücher