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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Kong seine Großmutter an. Eröffnete und schloß seine Finger vor seinem Mund, um ihr anzudeuten: »Um Himmels willen, sag' etwas.«
    Aber die Szene war zuviel für die alte Nyuk Tsin. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich danach gesehnt dazuzugehören: zuerst zu ihrem tapferen und stattlichen Vater, dessen Kopf auf dem Dorf platz ausgestellt worden war; dann zu ihrem Punti-Gemahl, der sie wegen ihrer großen Füße verachtet hatte; dann zu ihren Kindern, die sich wegen der Lepra vor ihr fürchteten; dann zu Amerika, das sie abgewiesen hatte wie alle Asiaten. Jetzt, da all das, wonach sie sich sehnte, erreichbar war, brachte sie kein Wort hervor. Sie hörte keine Fragen, sah niemanden, fühlte nichts. Aber in ihrem Innern ahnte sie, daß ein goldener Augenblick, eine einzigartige Gelegenheit verstrich, und sie blickte mit stummer Verzweiflung auf die Leute um sich her. Sie sah den freundlichen Brimstead, der sich fast die Hosen naßmachte vor Eifer, sie zum Sprechen zu bringen und dadurch in der Wochenschau erscheinen zu können. Sie sah den klugen jungen Eddie, der ihr zugeflüstert hatte. Sie sah den entschlossenen Hong Kong, der wahrscheinlich für sie betete, damit die Familienehre gerettet wurde. Und dann erblickte sie über Hong Kongs Schultern den in jeder Behörde anzutreffenden Stich des lange verstorbenen Helden mit dem entschlossenen Kinn und dem Dreispitz. Wie von ferne hörte sie den Hakka-Dolmetscher, der sie zum letztenmal bat: »Frau Kee, sagen Sie dem Mann, wer der Gründer dieses Landes war.« Und während die Fluten ihrer Leidenschaft über sie hereinbrachen, stand sie auf, deutete auf den Stich George Washingtons und rief laut: »Dieser da!«
    Dann begann sie: »Die Hauptstadt von Alabama ist Montgomery; von Arizona, Phoenix; von Arkansas, Little Rock; von Kalifornien, Sacramento...«
    »Sagen Sie ihr, daß es genug ist!« rief Brimstead. »Ich habe ihr diese Fragen noch gar nicht gestellt.«
    »Halten Sie die Kameras in Gang«, rief der Direktor. »Sie!« schrie Hong Kong dem Dolmetscher zu. »Übersetzen Sie!«
    »Die Legislative gibt die Gesetze«, rief Nyuk Tsin, »und die Exekutive bringt sie zur Anwendung und der oberste Gerichtshof bringt sie in Einklang mit der Verfassung.«
    »Genug!« rief Brimstead. »Sagen Sie ihr, daß es genug ist.«
    »Und die Bill of Rights garantiert die Glaubensfreiheit und die Redefreiheit«, fuhr Nyuk Tsin fort. »Und keine Truppen dürfen mein Haus durchsuchen. Und ich darf nicht auf grausame Art bestraft werden.« Sie war entschlossen, nichts auszulassen, um noch alles zu ihren Gunsten zu wenden. »Es gibt zwei Häuser im Parlament«, beharrte sie, »den Senat und das Haus...«
    Als sie das Einwanderungsbüro mit der Urkunde der Staatsangehörigkeit in der Hand verließ, jubelten ihr die Kees, die draußen gewartet hatten zu, und sie ging glücklich durch die Reihen ihrer Familie. Sie fragte einen jeden: »Wie ist dein Name? und wußte nach der Antwort sogleich, wo sie ihn einzuordnen hatte. Und als sie die Mitglieder ihrer großen Familie so vor sich sah, erkannte sie zum erstenmal, daß sie weder Hakka noch Punti waren, denn in Hawaii gab es diese alten Gegensätze nicht mehr. Alle, die die CARTHAGINIAN hergebracht hatte, waren hier zu etwas Neuem geworden. In Wahrheit waren die Kees nicht einmal mehr Chinesen; sie waren Amerikaner, und nun war auch Nyuk Tsin eine Amerikanerin.
    Als sie neben Hong Kongs Wagen stand, flüsterte sie: »Wenn man Staatsbürger ist, fühlt sich die Erde ganz anders an.«
    Aber diese Worte lenkten Hong Kongs Gedanken nicht von den Qualen ab, die er soeben durchstanden hatte, als sich Nyuk Tsin in dem Prüfungsraum wie eine chinesische Bäuerin in trotziges Schweigen gehüllt hatte. Als er nun auf ihre Staatsbürgerurkunde blickte, war er von neuem bestürzt und rief ein wenig verdrießlich: »Oh, Wu Chows Tante! Nun hast du auch noch das falsche Dokument mitgenommen!« Er nahm ihr das Blatt ab, worauf ein fremder Name stand: Char Nyuk Tsin. Als er ihr diesen Namen laut vorlas, sagte sie ruhig, aber mit großer Willensstärke: »Ich habe dem hilfsbereiten Mann gesagt, >Nun, da ich eine Amerikanerin bin, müssen Sie auf dieses Papier meinen richtigen Namen schreiben.«« Und sie kletterte bedächtig in den Wagen, eine kleine, alte Frau, die eine große Reise hinter sich hatte. An diesem Abend zündete sie, furchtbar erschöpft von der Staatsbürgerprüfung, ihre Petroleumlampe an, kleidete sich aus und untersuchte ihren Körper.

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