Hawaii
müssen, und wenn sie schwanger waren und sie Söhne zur Welt brachten, dann würden sie unter die Kiele des Kanus geworfen werden, um das Holz zu segnen, von dem sie in Stücke geschnitten wurden. Wenn sie aber nicht schwanger waren, dann würden sich in den Nächten Männer der Besatzung mit maskierten Gesichtern roh ihren Zutritt zu den Hütten der Sklavinnen erzwingen, bei den Frauen liegen und heimlich wieder gehen. Denn wenn es herauskam, daß ein Häuptling eine Sklavin berührt hatte, wurde er bestraft. Aber alle nahmen sich dieses Recht. Wenn Kinder aus diesen Beziehungen geboren wurden, dann waren es wieder Sklaven, und waren die Knaben mannbar, dann wurden sie hinter Kanus zermalmt oder mußten um die Altäre der Götter hängen. Die Mädchen aber wurden in der Zeit ihrer Reife nachts von Männern überfallen, die sie nicht kannten, und der Kreislauf wiederholte sich in alle Ewigkeit, denn sie waren Sklaven. Im ersten Licht des Morgens wurde deutlich, daß der feuerspeiende Berg mit seiner Insel noch viel weiter entfernt war, als man zunächst vermutet hatte, und ein letzter Tag voll Anstrengung und Entbehrungen lag vor den Reisenden. Aber das sichtbare Ziel spornte die verhungernden Männer an, und bei Anbruch der Nacht konnten sie sicher sein, daß am nächsten Morgen die lange Reise ihr Ende finde. Während der letzten milden, tropischen Nacht, aus der ihnen der wunderbare Berg entgegenschimmerte, ruderte die Mannschaft von WESTWIND in dem gewohnten, steten Rhythmus.
Am Ende ihrer fast fünftausend Meilen langen Fahrt ist es nur angemessen, die Leistung dieser Männer mit dem zu vergleichen, was Reisende in anderen Teilen der Welt unternahmen. Im Mittelmeer fuhren die Nachkommen der einstmals so stolzen Phönizier, die sich aber auch in ihrer Glanzzeit kaum je außer Sichtweite des Landes begeben hatten, entlang der bewohnten Küsten und überquerten zuweilen tatsächlich das unbedeutende Meer, was ihnen als große Kühnheit angerechnet wurde. Aber solche Fahrten waren kaum länger als zweihundert Meilen. In Portugal begann man viele Bände mit Auskünften über den Ozean zu füllen, aber es dauerte noch sechshundert Jahre, bis so nahe Inseln wie Madeira und die Azoren entdeckt wurden. Man war die Küste Afrikas abgefahren, aber man glaubte, daß man, wenn man den Äquator überquerte und damit den Polarstern verlor, zu Tode kochen würde oder gar vom Rand der Welt herabfiel, oder beides.
Auf der anderen Seite der Erde hatten chinesische Dschunken die Küsten Asiens umsegelt und waren in der Südsee von einer Insel zur nächsten sichtbaren vorgedrungen. Das hatte man eine Heldentat genannt. Kaufleute unternahmen von Arabien nach Indien beträchtliche Reisen, entfernten sich aber nie weit von der Küste.
Auf dem unentdeckten Kontinent im Westen Europas schließlich verließ noch kein Mensch das Land.
Nur im Norden Europas entfalteten die Normannen einen Unternehmungsgeist, der entfernt mit jenem der Männer von Bora Bora verglichen werden konnte. Aber auch sie hatten noch nicht ihre längsten Reisen angetreten, obwohl ihnen Metall, große Schiffe, gewebte Segel, Bücher und Karten zur Verfügung standen.
Es blieb den Bewohnern des Pazifiks, Männern mit der Vorsicht Tamatoas und der Willenskraft Teroros, überlassen, sich einem Ozean zu stellen und ihn zu besiegen. Ohne Metall und ohne Landkarten, ausgerüstet nur mit ihrem Wissen von den Sternen, einigen Längen Seil, getrocknetem Taro und dem festen Glauben an ihre Götter, vollbrachten diese Männer Wunder. Siebenhundert Jahre sollten noch vergehen, ehe ein italienischer Schiffer unter spanischer Flagge, bestückt mit allem, was eine fortgeschrittene Zivilisation ihm bieten konnte, es wagte, mit drei bequemen, festgefügten Schiffen zu einer Reise, die halb so lang und halb so gefährlich war, auszusetzen.
Im Morgengrauen brachte Teroro das Kanu dicht an die südöstliche Küste der großen vulkanischen Insel, die sich am Südostende des Grabenbruchs vom Boden des Ozeans erhob. Als die Küstenlinie sichtbar wurde, hatten die Reisenden vielerlei Gedanken. Teroro betrachtete sie mit einiger Enttäuschung. »Es sind nur Felsen. Wo sind die Kokosnüsse? Wo ist Wasser?« Mato, der in dem Rumpf ruderte, der der Insel zugekehrt war, dachte: Keine Brotfruchtbäume. Aber König Tamatoa sagte sich: »Es ist das Land, zu dem uns Tane geführt hat. Es muß gut sein.«
Nur Tupuna erfaßte die tiefen Probleme, die die nächsten Stunden bringen würden. Mit
Weitere Kostenlose Bücher