Hawkings neues Universum
möglich, dass das ganze Universum erstarrt und trotzdem eine „leere“ Zeit verstreicht – vielleicht Milliarden Jahre zwischen dem Lesen dieses Satzes und des nächsten. Zeit wäre dann fundamental und nicht auf etwas anderes zurückführbar.
Die Zeit ist auch nicht mehr das, was sie einmal war
In der Physik ist die Zeit (t) spätestens seit Galileo Galilei eine Variable in Gleichungen wie h = 1/2 ∙ g ∙ t 2 und v = g ∙ t (h ist im Fallgesetz die Höhe, g die Fall- oder Schwerebeschleunigung, v die Fallgeschwindigkeit). Dies war ein erfolgreicher pragmatischer Ansatz, der Zeit nicht definiert, sondern operationalisiert. Albert Einstein hat dies später – nicht nur scherzhaft – so ausgedrückt: „Zeit ist das, was die Uhr anzeigt.“
Die Zeitmessung basiert freilich auf dem Postulat der Gleichförmigkeit eines Naturprozesses und hat somit eine naturgesetzliche Grundlage, etwa die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit oder die Regelmäßigkeit von atomaren Prozessen – (fast) frei von Störungen durch äußere Faktoren. Es kommt eine Vielzahl von als „Uhren“ verwendbarer Naturvorgänge in Betracht, deren Tauglichkeit und somit Genauigkeit empirisch revidierbar ist. Beispielsweise ist die Erdrotation, der Prototyp der Tagesuhr, für die modernen Erfordernisse inzwischen viel zu unregelmäßig. Dass die verschiedenen Zeitmessungen zusammenpassen und vergleichbar sind, ist keineswegs trivial. Aber bislang hat sich das Ideal der Einheit der Zeit als regulatives Prinzip bewährt, und daran lässt sich die Kohärenz des physikalischen Wissens erkennen.
Allerdings kann man den Instrumentalismus, der den Begriff der Zeit auf Zeitbestimmungen einschränkt, als unzureichend kritisieren. Der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom brachte es so auf den Punkt: „Schon immer wurde die Zeit mit den Instrumenten verwechselt, die sie messen.“ Und der Quantenphysiker Richard Feynman prägte sogar das Bonmot „Zeit ist, was passiert, wenn sonst nichts passiert“. Das ist freilich wiederum zirkulär oder ein Rückfall in die Konzeption der absoluten Zeit, wie sie Isaac Newton in seiner Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von 1687 definiert hatte: „Die absolute, wahre und mathematische Zeit fließt auf Grund ihre eigenen Natur und aus sich selbst heraus ohne Beziehung zu etwas Äußerem gleichmäßig dahin.“ Mit dieser Vorstellung hat freilich Einsteins Relativitätstheorie aufgeräumt.
Gemäß Newton vergeht Zeit ohne Beziehung zu etwas Äußerem. Die Zeit ist quasi ein Substratum, in dem physikalische Ereignisse situiert sind. Das bedeutet: Man kann sich gleichsam überall im Universum eine imaginäre Uhr denken, und alle diese Uhren zeigen stets dieselbe Zeit an. Simultanität und Zeitspannen sind dann unabhängig vom Bezugssystem der Beobachter. Das jedoch hat die Spezielle Relativitätstheorie widerlegt: Uhren mit hoher Geschwindigkeit gehen langsamer (Zeitdilatation). Würde ein Raumfahrer beispielsweise mit dem erträglichen Beschleunigungs- und Bremsandruck von 1 G (entspricht der Erdschwerkraft) mit bis zu 99,9992 Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu einem 500 Lichtjahre entfernten Stern fliegen und wieder zurück, wäre er aufgrund der relativistischen Zeitdilatation nur um knapp 25 Jahre gealtert, während auf der Erde 1000 Jahre vergangen wären. Für lichtschnelle Photonen verrinnt überhaupt keine Zeit. Einsteins Konzeption der relativen Zeit zufolge hängt die Zeitmetrik also vom jeweiligen Bezugssystem ab. Objektiv sind nur raumzeitliche Abstände, nicht räumliche oder zeitliche. Es gibt gleichberechtigte Eigenzeiten, aber keine universelle Gleichzeitigkeit.
In Newtons Mechanik ist die Metrik der Zeit intrinsisch. Diese Auffassung hat die Allgemeine Relativitätstheorie widerlegt. Ihr zufolge kovariiert die Raumzeit-Metrik mit Masse und Energie: Raum und Zeit sind nicht voneinander getrennt, sondern in einem vierdimensionalen Raumzeit-Kontinuum miteinander verknüpft, das wiederum von Masse und Energie beeinflusst wird. Dies bedeutet: Uhren in einem Gravitationsfeld gehen langsamer. Am Rand eines Schwarzen Lochs bleibt die Zeit gleichsam stehen – aus der Ferne betrachtet. Die Raumzeit kann sogar eine innere Dynamik haben und ist insofern physikalisch real (beispielsweise sind leere, expandierende Universen denkbar, das heißt Lösungen von Einsteins Feldgleichungen).
„Die Relativitätstheorie macht der Vorstellung den Garaus, es gebe eine absolute Zeit“, hat Stephen
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