Hawks, John Twelve - Dark River
Gabriel auf dieser Insel gewesen, und hatte er den Körper gesehen?
»Kannst du mich hören?«, fragte Michael seinen Vater. »Kannst … du … mich … hören?«
Keine Reaktion. Michael berührte den Hals seines Vaters und drückte fest darauf. Eine Sekunde lang glaubte er, den flatternden Puls zu spüren. Wenn er die Taschenlampe beiseitelegte, könnte er mit beiden Händen zudrücken. Selbst wenn das Licht in einer anderen Sphäre unterwegs war, konnte man in dieser Welt sterben. Niemand würde ihn daran hindern, Matthew zu töten. Niemand würde seine Entscheidung kritisieren. Mrs. Brewster würde die Tat als einen weiteren Beweis seiner Loyalität der Sache gegenüber werten.
Michael legte die Taschenlampe auf einen Mauervorsprung und stellte sich neben den Körper seines Vaters. Sein Atem war zu sehen und löste sich dann in der kalten Luft auf. Niemals in seinem Leben zuvor war er auf einen Moment derart versessen gewesen. Tu es , dachte Michael. Vor fünfzehn Jahren ist er weggerannt. Jetzt soll er für immer verschwinden.
Er streckte erneut die Hand aus und hob ein Augenlid seines Vaters an. Ein blaues Auge starrte zurück, in dessen schwarzer Pupille kein Hauch von Leben zu sehen war. Michael hatte das Gefühl, einen Toten zu betrachten –, und genau hier lag das Problem. Egal, ob in dieser oder einer anderen Welt – er wollte seinen Vater zur Rede stellen und ihn zwingen zuzugeben, dass er seine Familie im Stich gelassen hatte. Eine leere Hülle zu zerstören war sinnlos. Es würde ihm nicht die ersehnte Befriedigung verschaffen.
Plötzlich schoss ihm die Erinnerung an eine Schulhofprügelei in den Kopf, die er damals in South Dakota als Teenager erlebt hatte. Als Michael seinen Gegner getreten und geboxt hatte, war der Junge hingefallen und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Aber das war nicht genug. Danach suchte er nicht. Michael wollte die totale Kapitulation. Er wollte die Angst seines Gegners sehen.
Er nahm die Taschenlampe und ging nach oben in den blutverschmierten Raum, wo Boone und zwei Söldner auf ihn warteten. »Laden Sie den Körper in einen der Helikopter«, ordnete Michael an. »Wir nehmen ihn von der Insel mit.«
ACHTUNDZWANZIG
D ie Wölfe warteten, bis Gabriel von der Mauer wieder aufs Dach heruntergestiegen war, dann packten sie ihn. Sie drehten ihm die Arme auf den Rücken, schnürten ihm die Hände mit einem Stück Kabel zusammen und verbanden ihm mit einem zerrissenen T-Shirt die Augen. Als der Traveler sich nicht mehr wehren konnte, versetzte ihm einer der Wölfe einen Schlag auf den Kehlkopf. Gabriel fiel auf die Dachpappe und versuchte, sich zu einer Kugel zusammenzukrümmen, während die Wölfe ihn in Brust und Bauch traten. Er konnte nichts sehen, war verzweifelt und schnappte nach Luft.
Jemand schlug ihm mit einem Knüppel auf den Hinterkopf, und eine Schmerzwelle durchflutete seinen ganzen Körper. Gabriel hörte, wie die Männer sich über eine Schule unterhielten. Bringt ihn in die Schule. Hände rissen ihn auf die Beine und zerrten ihn die Marmortreppe hinab. Auf der Straße stolperte er und stieß immer wieder gegen Bauschutt. Er versuchte, sich den Weg zu merken. Links herum. Rechts herum. Stopp. Aber der Schmerz erschwerte das Denken. Schließlich führte man ihn eine andere Treppe hoch und in einen Raum mit glattem Kachelboden. Das Kabel wurde entfernt und durch Handschellen ersetzt. Er bekam eine Kette um den Hals, die an einem Stahlring am Boden befestigt war.
Der Körper des Travelers schmerzte, und er konnte geronnenes Blut an seinen Händen und Füßen spüren. Bilder vom Fluss, von der zerstörten Brücke und den Gasflammen, die zwischen den Ruinen brannten, überwältigten seinen Verstand. Nach einer Weile fiel er in einen unruhigen Schlaf, aber er schreckte auf, als er hörte, wie die Tür sich mit einem Rums öffnete. Fremde Hände rissen ihm die Augenbinde ab, und er sah den Schwarzen im Laborkittel und den Mann mit den blonden Zöpfen vor sich. »Aus diesem Haus kommst du nicht mehr raus«, sagte der Blonde. »Du hast kein Leben mehr, es sei denn, wir geben es dir zurück.«
Während die Wölfe ihm die Fesseln abnahmen, sah Gabriel sich rasch in dem Raum um. Er entdeckte ein Lehrerpult und eine altmodische Tafel. An der Wand hing ein Alphabet aus Pappe, aber einige der verblichenen grünen Buchstaben hingen kopfüber und wurden nur noch von einer einzigen Heftzwecke gehalten.
»Du kommst mit uns mit«, sagte der Schwarze. »Der
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