Hawks, John Twelve - Dark River
unaufhörlich in London umhergewandert. Nachdem das Vine House in Flammen aufgegangen war, hatte sie Jugger und seinen Freunden geholfen, den Garten zu verlassen. An der Vauxhall Bridge hatten die vier ein Taxi gefunden und sich zu einer leerstehenden Wohnung in Chiswick bringen lassen, die Rolands Bruder gehörte. Die Free Runner waren an ein Leben außerhalb des Rasters gewöhnt, und alle drei hatten versprochen, sich zu verstecken, bis die Polizei nicht weiter im Fall der beiden Toten im Blumenlieferwagen ermittelte.
Gabriel hatte Jugger gesagt, er wohne in einem Trommelgeschäft am Camden Market. Maya nahm an, dass Linden und Mother Blessing den Traveler beschützten. Den Rest des Tages verbrachte sie damit, den Eingang zu den Katakomben zu beobachten, bis Hollis auftauchte. Mother Blessing hätte sie für ihren Ungehorsam getötet, aber Hollis war ein Freund. Er würde alles so arrangieren, dass sie Gabriel gefahrlos sehen konnte.
Plötzlich trat Linden aus dem Ziegelsteintunnel heraus. Den Schwertköcher über der linken Schulter, schlenderte der Harlequin zu einem Café mit Blick auf den Kanal, um zu frühstücken. Zehn Minuten später tauchte Hollis aus dem Tunnel auf und ruderte mit den Armen. Alles klar.
Hollis führte sie an Trommeln und afrikanischen Schnitzereien vorbei bis zu dem kleinen, kalten Zimmer, in dem Gabriel auf dem Bett lag. Maya kniete sich auf den Betonboden daneben und nahm Gabriels Hand. Sie wusste, dass er noch am Leben war, trotzdem fühlte sie sich wie eine Witwe, die ihren toten Ehemann berührt. Auf Skellig Columba hatte Maya das Buch des Heiligen gesehen und die leuchtenden Illustrationen der Hölle studiert. Sie hegte keinen Zweifel daran, dass Gabriel dorthin gegangen war, um nach seinem Vater zu suchen.
In diesem Moment kamen ihr alle Tricks, die Thorn und die anderen Harlequins ihr beigebracht hatten, nutzlos vor. Hier gab es niemanden, mit dem sie kämpfen konnte, keine bewachte Burg mit Steinmauern und Eisentoren. Sie hätte jedes Opfer gebracht, um Gabriel zu retten, aber es gab keine Opfer zu bringen.
Die Stahltür zum Apartment öffnete sich quietschend, und Hollis machte ein verdutztes Gesicht. »Winston, sind Sie das?«
Maya sprang auf die Füße und zog den Revolver. Stille. Linden erschien in der Tür. Der große Mann hatte die Hände in die Taschen gesteckt und verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Willst du mich erschießen, Maya? Denk dran, ein bisschen tiefer zu zielen. Wenn die Leute nervös sind, zielen sie für gewöhnlich zu hoch.«
»Wir wussten nicht, wer reinkommt.« Maya steckte den Revolver zurück ins Halfter.
»Ich dachte mir schon, dass du vielleicht herkommst. Wie Mother Blessing mir erzählte, verbindet dich mit Gabriel Corrigan eine ›Gefühlsduselei‹. Als du das Satellitentelefon ausgeschaltet hast, wurde mit klar, dass du vermutlich nicht mehr auf der Insel bist.«
»Hast du es ihr erzählt?«
»Nein. Sie wird wütend genug sein, wenn sie auf Skellig Columba eintrifft und feststellen muss, dass der Traveler von einer Amerikanerin und vier Nonnen beschützt wird.«
»Ich musste ihn sehen.«
»War es das wert?« Linden setzte sich rücklings auf den einzigen Stuhl im Zimmer. »Er ist genauso verloren wie sein Vater. Da liegt nur noch eine leere Hülle.«
»Ich werde Gabriel retten«, sagte Maya. »Ich muss nur herausfinden, wie.«
»Das ist unmöglich. Er ist weg. Verschwunden.«
Maya überlegte, bevor sie weitersprach. »Ich muss mit irgendjemandem reden, der so viel wie möglich über die Sphären weiß. Kennst du hier in England jemanden?«
»Das geht uns nichts an, Maya. Die Regel besagt, dass wir die Traveler ausschließlich in dieser Welt beschützen.«
»Die Regeln sind mir egal. ›Kultiviere den Zufall.‹ War es nicht das, was Sparrow geschrieben hat? Vielleicht ist es an der Zeit, etwas Neues zu probieren. Die alte Strategie funktioniert nämlich nicht mehr.«
Zum ersten Mal ergriff Hollis das Wort. »In dem Punkt hat sie Recht, Linden. Im Moment ist Michael Corrigan der einzige Traveler in dieser Welt, und er arbeitet für die Tabula.«
»Linden, bitte hilf mir. Ich brauche nur einen Namen.«
Der französische Harlequin stand auf und wandte sich zum Gehen. Als er die Tür erreicht hatte, verlagerte er das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, so wie ein Mann, der sich in dunkler Nacht für den richtigen Weg zu entscheiden versucht.
»In Europa gibt es mehrere Experten, die sich mit den Sphären auskennen,
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