Hawks, John Twelve - Dark River
schlingerten und Bremsen kreischten, während der Taxifahrer mehrere Spuren auf einmal schnitt. Als er sich für einen Augenblick nach Maya umdrehte, rammte das Taxi einen blauen Linienbus. Maya verlor den Halt und landete auf der Straße.
Sie rappelte sich auf und blickte sich um. Von New Jersey aus betrachtet, wirkte die Tunneleinfahrt wie eine künstliche Felsschlucht. Zu ihrer Rechten erhob sich eine hohe Betonmauer, dahinter waren Häuser in den steilen Hang gebaut. Links standen die Mauthäuschen neben der Spur für einfahrende Fahrzeuge. Aus dem Geländewagen, der nur ein paar Meter neben dem Taxi zum Stehen gekommen war, stieg ein Mann in Anzug und Krawatte aus. Er starrte in ihre Richtung, zog aber keine Waffe. Es gab zu viele Zeugen, außerdem parkten drei Streifenwagen neben den Mauthäuschen. Maya drehte sich um und rannte auf die nächste Ausfahrt zu.
Fünf Minuten später war sie in Weehawken, einer schäbigen Pendlersiedlung mit schmutzigen Durchgängen zwischen den dreigeschossigen, mit Schindeln verkleideten Einfamilienhäusern. Nachdem sie sich versichert hatte, dass niemand sie beobachtete, kletterte sie über eine Steinmauer in den menschenleeren Hinterhof einer katholischen Kirche und zückte ihr Handy. Hollis’ Telefon klingelte sechs oder sieben Mal, bevor er sich meldete.
»Hoher Ausstieg! Reinste Kinder!« Während der letzten drei Monate hatte sie drei Fluchtpläne ausgearbeitet. »Hoher Ausstieg« hieß, dass jeder, der sich im Loft befand, über die Feuerleiter aufs Dach klettern sollte. »Reinste Kinder« bedeutete, dass sie sich im Tompkins Square Park an der Lower East Side treffen würden.
»Was ist passiert?«, fragte Hollis.
»Tut, was ich sage! Macht, dass ihr da rauskommt!«
»Das geht nicht, Maya.«
»Was willst du …«
»Wir haben Besuch. Komm nach Hause, so schnell du kannst.«
Maya stoppte ein Taxi und raste nach Manhattan zurück. Sie rutschte tief in den Rücksitz und wies den Fahrer an, langsam durch die Catherine Street zu rollen. Vor den Sozialwohnungen spielten ein paar Teenager Basketball, aber niemand schien das Loftgebäude im Blick zu haben. Sie sprang aus dem Wagen, eilte über die Straße und schloss die grüne Haustür auf.
Sobald Maya den Treppenabsatz erreicht hatte, zog sie ihre Waffe. Während sie hinaufstieg, konnte sie die Motorengeräusche der vorbeifahrenden Autos und das leise Knarren der Holzstufen hören. Sie klopfte ein Mal an die Tür des Lofts und hob den Revolver an.
Eine verängstigte Vicki öffnete die Tür. Maya schlüpfte hinein. Ein paar Schritte vor ihr stand Hollis, das Gewehr im Anschlag.
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Es war eine Falle«, sagte Maya. »Die Tabula wissen, dass wir in New York sind. Warum seid ihr noch hier?«
»Wie ich schon sagte, wir haben Besuch.«
Hollis zeigte nach rechts. Jemand hatte die Malerplanen beiseitegezogen, die den Schlafraum der Männer abtrennten. Oscar Hernandez, der Jonesie-Prediger, der das Loft gemietet hatte, saß auf einem Klappbett, neben ihm hockte ein junger Latino mit rotem Sweatshirt.
»Maya! Gott sei Dank sind Sie unverletzt!« Hernandez stand auf und lächelte sie breit an. Er arbeitete in der Stadt als Busfahrer und trug das Kollar, wann immer er in Angelegenheiten der Kirche unterwegs war. »Willkommen daheim. Wir haben gerade angefangen, uns Sorgen um Sie zu machen.«
Aus dem zweiten Schlafbereich drang die Stimme einer älteren Frau. Maya lief durchs Loft und riss die Plane beiseite. Sophia Briggs, die Wegweiserin, die in einem verlassenen Raketensilo in der Nähe von New Harmony lebte, unterhielt sich auf dem Bett mit Gabriel. Sophia war die Lehrerin, die Wegweiserin gewesen, die Gabriel gezeigt hatte, wie er seine Gabe einsetzen und in andere Sphären transzendieren konnte.
»Ah, der Harlequin ist zurück.« Sophia musterte Maya wie ein seltenes Reptil. »Guten Abend, meine Liebe. Ich dachte nicht, dass wir uns wiedersehen würden.«
Im Schatten des Heizkörpers bewegte sich etwas. Ein Hund? Hatte Sophia ein Haustier mitgebracht? Nein, da saß ein kleines Mädchen auf dem Boden, das die Knie angezogen hatte und mit den Armen umschlungen hielt. Maya trat näher, und die Kleine hob das Gesicht – ein winziges Gesicht, das keinerlei Gefühle verriet. Es war das asiatische Mädchen von New Harmony. Es gab eine Überlebende.
SIEBEN
G abriel folgte Mayas Blick, der das kleine Mädchen musterte und dann zu Sophia schweifte. »Ich dachte, alle seien ermordet
Weitere Kostenlose Bücher