Hawks, John Twelve - Dark River
gelingt, das Virtuelle Panopticon zu errichten, werden sich die menschlichen Gesellschaften in die richtige Richtung entwickeln.«
Sie fuhren an einem Hinweisschild für Berlin vorbei, und der Wagen schien leicht zu beschleunigen. Auf diesen Straßen gab es keine Geschwindigkeitsbegrenzung. »Vielleicht könnten Sie nach dem Besuch des Computerzentrums Nathan Boone anrufen?«, fragte Michael. »Ich würde zu gern wissen, ob er irgendetwas über meinen Vater erfahren hat.«
»Natürlich.« Mrs. Brewster tippte ein Memo an sich selbst auf ihrem Computer. »Nehmen wir an, Mr. Boone ist erfolgreich und wir finden Ihren Vater. Was wollen Sie ihm sagen?«
»Die Welt durchläuft einen alles umfassenden Technologiewandel. Das Panopticon ist unvermeidlich. Er sollte die Tatsache einsehen und die Bruderschaft bei der Durchsetzung ihrer Ziele unterstützen.«
»Brillant. Einfach brillant.« Sie sah von der Tastatur auf. »Wir brauchen keine Traveler, die uns neue Ideen liefern. Wir müssen uns nur an die Regeln halten.«
Als Michael seine zweite Tasse Tee ausgetrunken hatte, waren sie schon in Berlin und rollten über die baumgesäumte Prachtallee Unter den Linden. Einige Touristengruppen bestaunten die barocken und neoklassizistischen Gebäude. Mrs. Brewster zeigte auf einen Stapel von überdimensional großen Büchern, die die Namen deutscher Autoren auf dem Rücken trugen. Das Denkmal war auf dem Bebelplatz errichtet worden, wo die Nazis in den dreißiger Jahren Bibliotheken geplündert und Bücher verbrannt hatten.
»In Tokio oder New York leben weit mehr Menschen«, erklärte Mrs. Brewster. »In Berlin habe ich immer das Gefühl, die Stadt wäre zu groß für ihre Bewohner.«
»Vermutlich sind viele der Häuser im Zweiten Weltkrieg zerstört worden.«
»Da haben Sie Recht. Und die Russen haben viel von dem, was erhalten blieb, in die Luft gesprengt. Mit dieser unangenehmen Vergangenheit hat man jedoch inzwischen aufgeräumt.«
Am Brandenburger Tor bog der Mercedes nach links ab und fuhr an einem Park vorbei zum Potsdamer Platz. Die Mauer, die die Stadt früher geteilt hatte, war verschwunden, aber in dieser Gegend war sie immer noch zu spüren. Nach dem Abriss der Mauer war eine riesige Baufläche für neue Immobilienprojekte entstanden. Auf dem ehemaligen Todesstreifen ragten jetzt auffällige Wolkenkratzer mit gesichtslosen, modernen Fassaden in den Himmel.
In der Voßstraße hatte während des Zweiten Weltkriegs der Reichskanzler residiert. Eingezäunte Baustellen nahmen den größten Teil der Gegend ein. Der Fahrer hielt vor einem massiven, fünfgeschossigen Bau, der aus einer anderen Ära zu stammen schien.
»Ursprünglich waren hier die Büros der Deutschen Reichsbahn untergebracht«, erklärte Mrs. Brewster. »Als die Mauer fiel, konnte die Bruderschaft sich das Grundstück aneignen.«
Sie stiegen aus dem Auto und gingen auf das Computerzentrum zu. Die Außenwände des Gebäudes waren mit Graffiti beschmiert, und die Fenster wurden von Metallplatten bedeckt; dennoch konnte Michael die Spuren der beeindruckenden Fassade aus dem neunzehnten Jahrhundert entdecken. Er sah verschnörkelte Friese und die Gesichter griechischer Götter, die auf der Straßenseite über den hohen Erkerfenstern in den Stein gehauen waren. Von außen wirkte das Gebäude wie eine Luxuslimousine, die man ausgeschlachtet und in eine Schlucht gerollt hatte.
»Das Gebäude ist in zwei Bereiche unterteilt«, sagte Mrs. Brewster. »Zuerst müssen wir durch den öffentlich zugänglichen Teil, also benehmen Sie sich bitte unauffällig.«
Sie trat vor eine fensterlose Stahltür, über der eine Überwachungskamera angebracht war. Ein kleines Plastikschild neben der Tür besagte, dass in dem Gebäude die Hauptgeschäftsstelle einer Firma namens Personal Customer untergebracht war.
»Ist das eine englische Firma?«, fragte Michael.
»Nein. Sie ist sogar ziemlich deutsch.« Mrs. Brewster drückte auf den Klingelknopf. »Lars hat uns geraten, einen englischen Firmennamen zu wählen. Das vermittelt der Belegschaft das Gefühl, in einem modernen, internationalen Umfeld zu arbeiten.«
Die Tür sprang mit einem Klicken auf, und sie betraten eine hell erleuchtete Empfangshalle. Eine junge Frau Mitte zwanzig mit Piercings in Ohren, Lippe und Nase blickte auf und lächelte sie an. »Willkommen bei Personal Customer. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich bin Mrs. Brewster, und das hier ist Mr. Corrigan. Wir sind technische Berater und sollen uns
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