Hawks, John Twelve - Dark River
diesem Moment an entweder Linden oder ich sämtliche Entscheidungen treffen werden.«
Maya hatte versucht, besonders schroff und unnachgiebig zu klingen, aber Hollis gab sich unbeeindruckt. Er warf Vicki einen Blick zu und fing dann zu kichern an. »Ich denke, dass man uns die Lösung für unsere Probleme gleich mitteilen wird.«
»Linden hat Vorbereitungen getroffen, damit wir auf einem Handelsschiff nach Großbritannien reisen können. Die Überfahrt über den Atlantik dauert etwa eine Woche, aber nur so wären wir in der Lage, ohne Pass einzureisen. Hier in New York werde ich Alice vor den Tabula beschützen, aber wir können nicht ewig auf sie aufpassen. Sobald wir in London sind, wird sie eine neue Identität erhalten und in einem sicheren Umfeld untergebracht werden.«
»Also gut, Maya. Wir haben verstanden«, sagte Hollis. »Die Harlequins wollen immer die Entscheidungen treffen. Jetzt gib uns bitte eine Minute, um die Sache zu besprechen.«
Während Hollis und Vicki sich nebeneinander auf die Bank setzten, stellte Maya sich ans Fenster und sah zum Friedhof von St. Raymond hinüber, der auf der anderen Straßenseite lag. Der riesige Friedhof war so grau und überfüllt wie der Rest der Stadt; die Grabsteine, Säulen und Trauerengel wirkten so zusammengewürfelt wie auf einem Wühltisch.
Die Tatsache, dass Hollis und Vicki sich liebten, veränderte alles; plötzlich hatten sie die Aussicht auf ein gemeinsames Leben. Wenn sie schlau sind , dachte Maya, sollten sie vor der Tabula und den Harlequins weglaufen. In diesem endlosen Krieg gibt es keine Zukunft.
»Wir sind zu einer Entscheidung gekommen«, sagte Vicki. Maya bemerkte, dass die zwei Liebenden voneinander abgerückt waren. »Ich werde zusammen mit dir und Alice das Schiff nach England nehmen.«
»Und ich werde noch ein paar Wochen in New York bleiben«, sagte Hollis. »Ich werde die Tabula glauben lassen, dass Gabriel sich noch in der Stadt aufhält. Wenn ich damit fertig bin, kannst du dir immer noch überlegen, wie du mich außer Landes kriegst.«
Maya nickte zustimmend. Hollis war zwar kein Harlequin, aber langsam begann er, wie einer zu denken. »Das ist eine gute Idee«, sagte sie. »Aber pass auf dich auf.«
Hollis ignorierte sie und sah Vicki in die Augen. »Selbstverständlich werde ich auf mich aufpassen. Ich verspreche es.«
FÜNFZEHN
M ichael saß auf der Rückbank eines Mercedes’ und schaute durchs Seitenfenster auf die Landschaft. An diesem Morgen hatte er in Hamburg gefrühstückt, jetzt fuhr er mit Mrs. Brewster über die Autobahn, um das neue Computerzentrum in Berlin zu besichtigen. Auf dem Beifahrersitz, neben dem türkischen Chauffeur, saß ein Wachmann mit schwarzem Anzug. Der Wachmann sollte den Traveler beobachten und seine Flucht verhindern, aber nichts dergleichen würde passieren. Michael verspürte kein Verlangen, ins normale Leben zurückzukehren.
Als sie ins Auto eingestiegen waren, hatte Michael eine glänzende Holzkiste mit kleinen Schubladen auf dem Rücksitz entdeckt. Er hatte angenommen, dass in der Kiste geheime Informationen über die Bruderschaft aufbewahrt wurden, aber tatsächlich befanden sich ein vergoldeter Fingerhut, eine silberne Schere und seidenes Stickgarn in allen Regenbogenfarben darin.
Mrs. Brewster setzte sich das Headset auf und nahm ein gerahmtes Stück Leinen mit dem Bild einer Rose aus der Kiste. Sie erledigte ein paar Telefonate; mit sanfter Stimme redete sie auf die Mitglieder der Bruderschaft ein, während ihre starken Finger die Nadel in den Stoff rammten. Ihr Lieblingswort war »brillant«, und langsam begann Michael die verschiedenen Bedeutungen herauszuhören, die es für sie besaß. Einige Mitglieder der Bruderschaft hatten Lob verdient. Aber wenn sie das Wort »brillant« langsam oder in scharfem oder gelangweiltem Ton aussprach, würde irgendjemand für sein Versagen bestraft werden.
Während der Wochenendsitzung auf Dark Island hatte er eine Menge über die Bruderschaft gelernt. Alle Mitglieder brannten darauf, das Virtuelle Panopticon einzuführen, aber innerhalb der Organisation hatten sich aufgrund von Staatszugehörigkeit oder persönlichen Freundschaften Gruppen gebildet. Obwohl Kennard Nash Vorstandsvorsitzender und Leiter der Evergreen Foundation war, betrachteten einige Mitglieder ihn als viel zu amerikanisch. Mrs. Brewster stand einem Programm mit dem Namen Young World Leaders vor und war zur Chefin der europäischen Abteilung aufgestiegen.
Auf Dark Island hatte
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