Hawks, John Twelve - Dark River
den Computer ansehen. Ich bin mir sicher, dass Mr. Reichhardt über unseren heutigen Besuch informiert wurde.«
»Ja. Selbstverständlich.« Die junge Frau überreichte Mrs. Brewster einen versiegelten Umschlag. »Gehen Sie einfach …«
»Ich weiß, meine Liebe. Ich war bereits hier.«
Sie gingen zu einem Aufzug neben einem Konferenzraum mit Glaswänden. Eine Gruppe von Angestellten – die meisten waren Mitte dreißig – saßen zum Mittagessen um einen großen Tisch und unterhielten sich.
Mrs. Brewster riss den Umschlag auf, nahm eine Plastikkarte heraus und hielt sie vor einen Sensor. Die Tür glitt auf, und sie betraten den Aufzug, wo Mrs. Brewster ein zweites Mal mit der Karte wedelte. »Wir fahren in den Keller. Nur von dort hat man Zugang zum Kontrollzentrum.«
»Darf ich eine Frage stellen?«
»Ja. Wir haben den öffentlichen Bereich verlassen.«
»Was glauben die Angestellten eigentlich, was sie da tun?«
»Oh, das Ganze ist vollkommen legal. Man hat ihnen erzählt, Personal Customer sei eine innovative Marketingagentur, die demografische Daten sammelt. Ganze Gruppen von potenziellen Kunden anzusprechen gilt inzwischen als völlig veraltete Methode. Zukünftig wird sich Werbung zielgerichtet an den einzelnen Konsumenten wenden. Wenn Sie sich einer Reklametafel auf der Straße nähern, wird die den RFID-Chip an Ihrem Schlüsselanhänger lesen und Sie mit Namen ansprechen. Die hoch motivierten jungen Leute, die Sie da oben gesehen haben, sind damit beschäftigt, alle erdenklichen Quellen auszuwerten, um Daten über die Berliner zu sammeln und in den Computer einzuspeisen.«
Die Aufzugtür öffnete sich, und sie kamen in einen großen Kellerraum ohne Zwischenwände. Für Michael sah das riesige Gewölbe aus wie eine Fabrikhalle ohne Arbeiter. Überall standen Maschinen und Kommunikationsgeräte herum. »Das ist das Notstromaggregat«, erklärte Mrs. Brewster und zeigte nach links. »Und dort stehen die Klimaanlage und der Luftfilter, denn angeblich hat unsere Firma etwas gegen Umweltverschmutzung.«
Ein weißer Pfad war auf den Boden gemalt, und sie folgten ihm bis an die andere Seite des Raumes. Obwohl die Maschinen beeindruckend waren, dachte Michael immer noch über die Leute nach, die er im Konferenzraum gesehen hatte. »Dann wissen die Angestellten also nicht, dass sie an der Einführung des Schattenprogramms mitarbeiten?«
»Selbstverständlich nicht. Wenn die Zeit reif ist, wird Lars sie darüber informieren, dass die Marketingdaten zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden. Wir werden sie mit Prämien und Beförderungen belohnen. Ich bin mir sicher, dass ihnen das gefallen wird.«
Der weiße Pfad endete an einem zweiten Empfang. Dahinter saß ein bulliger Wachmann mit Jackett und Krawatte. Er hatte ihr Herankommen auf einem kleinen Monitor beobachtet und blickte auf, als sie vor dem Schalter standen.
»Guten Tag, Mrs. Brewster. Sie werden bereits erwartet.«
Direkt hinter dem Empfang befand sich eine Tür ohne Knauf oder Klinke, aber der Wachmann betätigte keinen Türöffner. Stattdessen trat Mrs. Brewster vor einen kleinen Stahlkasten, der an einer Seite offen war. Der Kasten hing an einem Mauervorsprung nur wenige Schritte von der Tür entfernt.
»Was ist das?«, fragte Michael.
»Ein Venenscanner. Man legt die Hand hinein, und die Kamera nimmt ein Infrarotbild auf. Das Hämoglobin im Blut absorbiert das Licht, sodass die Venen auf einem Digitalfoto als schwarze Linien erscheinen. Das Muster meiner Venen wird mit der Vorlage im Computer verglichen.«
Mrs. Brewster steckte die Hand in den Kasten, ein Lichtblitz zuckte, und das Schloss sprang auf. Sie drückte die Tür auf, und Michael folgte ihr in den hinteren Gebäudeflügel. Überrascht stellte er fest, dass man das Gebäude komplett entkernt hatte, sodass Deckenbalken und Ziegelwände zu sehen waren. In dieser fensterlosen Hülle stand ein hoher Glasturm, der von einer Stahlkonstruktion gestützt wurde. Auf drei Etagen waren miteinander verbundene Speichereinheiten, Großrechner und Server untergebracht. Das System war über eine Stahltreppe und erhöhte Laufstege zugänglich.
In einer Ecke des Raumes saßen zwei Männer vor einem Kontrollpult seitlich des abgeschirmten Turmes – wie Messdiener, denen der Zugang zum Allerheiligsten verwehrt bleibt. Über ihren Köpfen hing ein riesiger Flachbildschirm, auf dem vier computergenerierte Gestalten zu sehen waren, die in einem Schattenauto durch eine baumgesäumte Straße
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