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Hawks, John Twelve - Dark River

Hawks, John Twelve - Dark River

Titel: Hawks, John Twelve - Dark River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Duell der Traveler
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das war lange her, und inzwischen hatte der Stadtrat für die meisten Gebäude eine Wohnerlaubnis erteilt. Aber Trudy lächelte immer noch vom Foto, und das Vine House blieb bestehen – illegal, kurz vorm Einsturz und frei.
     
    Seit dem Rennen am Smithfield Market gewährten Jugger und seine Crew Gabriel ein Dach über dem Kopf, nahmen ihn als Freund auf – und hatten ihm einen neuen Namen gegeben.
    »Wie hast du das angestellt?«, hatte Jugger nach dem Rennen gefragt.
    »Beim Abstieg über die Regenrinne habe ich was riskiert.«
    »Hast du jemals etwas Ähnliches getan? So etwas erfordert jede Menge Selbstvertrauen.«
    Gabriel hatte ihm von den HALO-Fallschirmsprüngen erzählt, die er früher in Kalifornien gewagt hatte. Bei diesen Sprüngen aus großer Höhe, bei denen der Fallschirm erst im letzten Moment aufging, sprang man aus einem Flugzeug ab und verbrachte über eine Minute im freien Fall, ohne den Öffnungsmechanismus zu betätigen.
    Jugger hatte genickt, so als erkläre diese Erfahrung alles. »Hört mal zu«, hatte er den anderen zugerufen, »unsere Crew hat ein neues Mitglied. Halo – willkommen bei den Free Runnern!«
    Die Nächte verbrachte Gabriel im Vine House, während des Tages suchte er das Tyburn Convent auf. Ihm fiel keine andere Möglichkeit ein, nach seinem Vater zu forschen; er musste die Eisentreppe zur Krypta hinuntersteigen und herausfinden, welche Zeichen sein Vater ihm zwischen den Knochen und verrosteten Kruzifixen hinterlassen hatte.
    Stundenlang saß er auf einer Bank gegenüber dem Kloster und beobachtete, wer den wenigen Besuchern die Tür öffnete. Aber entweder wurden sie von Schwester Ann begrüßt, der älteren Nonne, die sich geweigert hatte, seine Fragen zu beantworten, oder von Schwester Bridget, der jüngeren, die so erschreckt reagiert hatte, als er seinen Vater erwähnte. Gabriel ging noch zwei Mal zum Kloster zurück, aber immer waren es diese beiden Frauen, die sich an der Tür zeigten. Ihm blieb keine andere Wahl, als abzuwarten, bis Schwester Bridget von einer Nonne abgelöst würde, die ihn nicht kannte.
    Wenn Gabriel nicht das Kloster beobachtete, verbrachte er die Nachmittage damit, in Londons Vororten ungezielt nach seinem Vater Ausschau zu halten. In der Stadt hingen Tausende Überwachungskameras, aber er konnte das Risiko minimieren, indem er die öffentlichen Verkehrsmittel und die überlaufenen Straßen nördlich der Themse mied.
    Ein Traveler zu werden bedeutete für ihn, ganz langsam eine andere Weltsicht zu entwickeln –, als ob sein Gehirn neu verkabelt werden würde, ohne dass er den Prozess steuern konnte. Als er eines Nachmittags am Clapham Common vorbeilief, weitete sich sein Blickfeld auf einen Einhundertachtziggradwinkel aus. Er konnte alles auf einmal sehen: die Schönheit eines gelben Löwenzahns, den sanften Schwung eines schwarzen Eisengeländers. Und da waren Gesichter – so viele Gesichter! Die Augen der Leute, die aus den Geschäften kamen und die Straße entlangschlurften, verrieten Müdigkeit und Leid und manchmal auch einen Hauch von Freude. Die neue Sicht auf die Welt war überwältigend, aber nach etwa einer Stunde verengte sich der Blickwinkel wieder.
    Während die Tage verstrichen, wurde Gabriel in die Vorbereitungen zu einer riesigen Party im Vine House einbezogen. Er hatte gesellschaftliche Zusammenkünfte immer mit Misstrauen betrachtet, aber als Halo lebte er ein anderes Leben: Er war ein amerikanischer Free Runner ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. So fiel es ihm leichter, die eigenen Fähigkeiten zu vergessen und mit Jugger loszuziehen, um noch ein paar Bier zu kaufen.
     
    Der Tag der Party war kühl, aber sonnig. Die ersten Gäste tauchten bereits gegen ein Uhr mittags auf. Bald waren die kleinen Zimmer von Vine House voller Leute, die sich Essen und Alkohol teilten. Kinder flitzten über den Flur. Ein Baby lag schlafend in einem Tragetuch an der Brust seines Vaters. Im Garten zeigten erfahrene Runner sich gegenseitig, auf wie viele elegante Arten man sich über eine Mülltonne schwingen konnte.
    Als Gabriel im Haus seine Runden drehte, war er erstaunt festzustellen, wie viele Leute über das Rennen am Smithfield Market Bescheid wussten. Die Free Runner bildeten eine lose organisierte Gemeinschaft, die sich bemühte, außerhalb des Rasters zu leben. Diese gesellschaftliche Bewegung wurde in der geschwätzigen Welt des Fernsehens nicht wahrgenommen, weil sie nicht wahrgenommen werden wollte. Rebellion in den

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