Hawks, John Twelve - Dark River
auf die Betonplattform, während Gabriel dem Kapitän beim Ausladen der Kisten und Torfsäcke half. Vicki stellte sich vor das Tor und berührte das Vorhängeschloss aus Messing, das den Riegel sicherte. »Und jetzt?«
»Hier ist niemand«, sagte Maya. »Ich finde, wir sollten über den Zaun klettern und auf dem Bergrücken bis zum Kloster hochlaufen.«
»Das wäre Kapitän Foley sicher nicht recht.«
»Foley hat uns hergebracht. Ich habe ihm erst die Hälfte des Geldes gezahlt. Gabriel wird nicht von hier weggehen, ohne etwas über seinen Vater erfahren zu haben.«
Alice rannte über die Plattform und zeigte in Richtung des Hügels. Als Maya einen Schritt zurücktrat, konnte sie vier Nonnen sehen, die die Stufen zum Anleger herunterstiegen. Die Klarissen trugen eine schwarze Tracht mit schwarzer Haube über einem weißen Kopftuch und einem weißen Kragen. Die weißen Kordeln um ihre Taille erinnerten an die franziskanische Geschichte ihres Ordens. Alle vier Frauen hatten sich schwarze Wollschals um den Oberkörper gewickelt. Der Wind zerrte an den Schalenden, aber die Frauen gingen unbeirrt weiter, bis sie die Fremden auf ihrer Insel erblickten. Sie blieben stehen; die ersten drei Nonnen scharten sich auf der Treppe zusammen, während die größte ein paar Schritte hinter ihnen stehen blieb.
Kapitän Foley trug zwei Torfsäcke auf die Plattform und stellte sie neben dem Tor ab. »Sieht nicht gut aus«, sagte er. »Die Große ist die Äbtissin. Die hat hier das Sagen.«
Eine der Klarissen kehrte zur Äbtissin zurück, bekam eine Anweisung und eilte dann die Treppe hinunter auf das Tor zu.
»Was ist los?«, fragte Gabriel.
»Ende der Geschichte, Junge. Die wollen euch hier nicht.«
Foley zog sich die Strickmütze von seinem kahlen Kopf und näherte sich dem Tor. Er verbeugte sich andeutungsweise vor der Nonne und sprach leise mit ihr, bevor er sich mit überraschtem Gesicht zu Maya umwandte.
»Verzeihen Sie, Miss. Ich entschuldige mich für alles, was ich gesagt habe. Die Äbtissin bittet Sie in die Kapelle.«
Die Äbtissin war verschwunden, und jede der drei Nonnen nahm einen Torfsack und begann den Aufstieg über die Treppe. Maya, Gabriel und die anderen folgten ihnen, während Kapitän Foley bei seinem Boot blieb.
Im sechsten Jahrhundert hatten die Mönche von Sankt Columban eine Treppe vom Meer bis zum Gipfel der Insel gebaut. Der graue Kalkstein war von weißem Schiefer durchzogen und von Flechten bedeckt. Als Maya und die anderen hinter den Nonnen bergan stiegen, verstummte das Zischen der Wellen. Stattdessen war der Wind zu hören, der sich an den kegelförmigen Felsen rieb und Löffelkraut, Gänsedisteln und Sauerampfer kräuselte. Skellig Columba wirkte wie eine enorme Burgruine mit zerfallenen Türmen und eingestürzten Torbogen. Die Meeresvögel waren verschwunden, nur Raben zogen mit heiserem Krächzen am Himmel ihre Kreise.
Sie erreichten den Bergkamm und stiegen auf der Nordseite der Insel wieder ab. Direkt unterhalb von ihnen erstreckten sich drei aufeinanderfolgende Terrassen, jede etwa fünfzehn Meter breit. Auf der ersten Terrasse gab es einen kleinen Garten und zwei Auffangbecken für das Regenwasser, das an der Bergwand herunterlief. Auf der zweiten Terrasse standen vier Häuser, deren Steine nicht von Mörtel zusammengehalten wurden. Sie ähnelten riesigen Bienenstöcken mit Holztüren und runden Fenstern. Auf der dritten Terrasse stand eine Kapelle. Sie war etwa zwanzig Meter lang und sah aus wie ein Boot, das umgedreht auf dem Strand lag.
Alice und Vicki blieben bei den Nonnen, während Maya und Gabriel die Treppenstufen zur Kapelle hinunterstiegen und hineingingen. Am hinteren Ende des mit Eichendielen ausgelegten Raumes befand sich der Altar: drei Fenster hinter einem schlichten Goldkreuz. Die Äbtissin, immer noch in den Schal gewickelt, stand davor, den Rücken den Besuchern zugekehrt und die Hände zum Gebet gefaltet. Die Tür schloss sich quietschend, und jetzt war nichts mehr zu hören als der Wind, der durch die Mauerritzen pfiff.
Gabriel trat ein paar Schritte vor. »Verzeihung, Madam. Wir sind eben auf der Insel angekommen und müssen mit Ihnen sprechen.«
Die Äbtissin öffnete ihre Hände auf und ließ langsam die Arme sinken. Irgendetwas an der Geste wirkte elegant und bedrohlich zugleich. Maya griff sofort nach dem Messer, das sie am Arm trug. Nein , wollte sie schreien. Nein!
Die Nonne wirbelte herum und schleuderte ihnen ein schwarzes Stahlmesser entgegen,
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