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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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Kaffeetasse, als wollte er mir zuprosten. Ich nutzte die Gelegenheit zu
einem Time-out und griff selbst zur Tasse.
    »Du
wirkst ein bisschen gestresst, Roger. Gibt es Konkurrenten?«
    Mein
Kehlkopfreflex schlägt gerne mal Kapriolen, wenn ich überrumpelt werde, so dass
ich meinen Kaffee fast auf »Sara gets undressed« gespuckt hätte.
    »Ich
verstehe nur zu gut, dass du Druck ausüben musst, Roger«, sagte Greve mit einem
Lächeln und beugte sich vor.
    Ich
konnte seine Körperwärme spüren und roch einen Duft, der mich an Zedernholz,
Russisch Leder und Zitrusfrüchte erinnerte. »Declaration« von Cartier? Oder
etwas anderes in der gleichen Preisklasse?
    »Aber
ich bin nicht beleidigt, Roger. Du machst nur deinen Job, genau wie ich.
Natürlich willst du für deine Kunden das Bestmögliche tun, dafür wirst du ja
auch bezahlt. Und je interessanter ein Kandidat ist, desto wichtiger ist es,
den Betreffenden auf Herz und Nieren zu prüfen. Die Behauptung, die Aktionäre
von HOTE seien nicht zufrieden gewesen, war wirklich gut, ich hätte an deiner
Stelle sicher etwas Ähnliches versucht.«
    Ich
traute meinen eigenen Ohren nicht. Erst hatte er mir die erste Stufe des
Modells richtiggehend um die Ohren gehauen, indem er mir ins Gesicht sagte,
dass er mich durchschaute, und jetzt war er selbst zu Schritt zwei
übergegangen: »Mit dem Verdächtigen sympathisieren, indem man die Tat herunterspielt.«
Am unglaublichsten aber war, dass es wirkte und sich das so oft beschriebene
Gefühl tatsächlich bei mir einstellte. Und das, obwohl ich ganz genau wusste,
was Greve tat. Wie ein Verdächtiger spürte auch ich den Impuls, meine Karten
auf den Tisch zu legen. Am liebsten hätte ich laut gelacht.
    »Ich
verstehe nicht ganz, was du meinst, Clas.« Obwohl ich mich bemühte, entspannt
zu wirken, hörte ich, wie metallisch meine Stimme klang. Meine Gedanken
bewegten sich wie durch Sirup, und ich schaffte es einfach nicht, zum Gegenangriff
überzugehen, bevor er weitersprach:
    »Das
Geld ist nicht wirklich meine Motivation, Roger. Aber wenn du willst, können
wir versuchen, den Lohn ein bisschen in die Höhe zu drücken. Ein Drittel von mehr
...«
    ...
ist mehr. Er hatte das Gespräch jetzt komplett an sich gerissen und war von
Schritt zwei zu Schritt sieben gesprungen: »Alternativen präsentieren.« In
diesem Fall: Gib dem Verdächtigen eine andere Motivation, ein Geständnis
abzulegen. Er machte das einfach perfekt. Natürlich hätte er auch noch meine
Familie zur Sprache bringen können. Erwähnen, wie stolz meine verstorbenen
Eltern oder meine Frau sein würden, wenn sie hörten, dass es mir gelungen war,
den Lohn in die Höhe zu treiben, unsere Provision, meine Bonusgrundläge. Aber
Clas Greve wusste, dass das zu weit gehen würde, natürlich wusste er auch das.
Wirklich, ich hatte meinen Meister gefunden.
    »Okay,
Clas«, hörte ich mich selbst sagen. »Ich ergebe mich. Es ist genau so, wie du
sagst.«
    Greve
lehnte sich zurück. Er hatte gewonnen und atmete lächelnd aus. Nicht
triumphierend, sondern einfach nur zufrieden, weil es vorbei war. IST DAS
SIEGEN GEWOHNT, notierte ich mir auf meinem Zettel, den ich hinterher doch nur
wegschmeißen würde.
    Das
Seltsamste aber war, dass es sich nicht wie eine Niederlage anfühlte. Ich war
bloß erleichtert. Ja, ich fühlte mich sogar gut.
    »Mein
Kunde braucht aber trotzdem die üblichen Auskünfte«, erklärte ich. »Hast du
was dagegen, wenn wir weitermachen?«
    Clas
Greve schloss die Augen, legte die Fingerkuppen aneinander und schüttelte den
Kopf.
    »Gut«,
sagte ich. »Dann möchte ich, dass du mir von deinem Leben erzählst.«
     
    Ich
notierte, was Clas Greve mir erzählte. Er war als jüngstes von drei
Geschwistern aufgewachsen. In Rotterdam. Eine raue Hafenstadt, aber die Familie
hatte zu den Privilegierten gehört, da sein Vater eine hohe Stellung bei
Philips hatte. Norwegisch hatten Clas und seine beiden Schwestern im Laufe der
langen Sommerferien in der Hütte seiner Großmutter in Son gelernt. Er hatte in
der Jugend ein gespanntes Verhältnis zu seinem Vater gehabt, der der Meinung
gewesen war, sein Jüngster sei verwöhnt und undiszipliniert.
    »Er
hatte recht«, räumte Greve lächelnd ein. »Ich war es gewohnt, gute Resultate zu
erzielen, ohne etwas dafür zu tun. Sowohl in der Schule als auch im Sport. Mit
etwa 1 6
Jahren begann mich das alles nur noch zu langweilen und ich rutschte in ein
zweifelhaftes Milieu ab. Das ist in Rotterdam nicht gerade schwer. Ich

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