Headhunter
Bild?«
Er
sah mich lange an. Der Anflug eines Lächelns zeichnete sich auf seinen Lippen
ab. Sein Mund begann ein Wort zu formen, und ich hatte eine seltsame Vorahnung.
Eine Vorahnung, bei der sich mein Bauch zusammenzog, wie bei einem Boxer,
dessen Muskeln sich anspannen, wenn er einen Schlag auf den Körper ahnt. Aber
dann kam etwas ganz anderes. Und alle Vorahnungen der Welt hätten mich nicht
auf das vorbereiten können, was er dann sagte:
»>Die
kalydonische Eberjagd<.«
»>Die kalydonische
...« Innerhalb von zwei Sekunden war mein Mund staubtrocken. »... Eberjagd«
»Kennst du das Bild?«
»Wenn du das Gemälde von
... von ...«
»Peter Paul Rubens«,
sagte Greve.
Ich
konzentrierte mich ausschließlich darauf, die Fassade aufrechtzuerhalten. Aber
vor mir blinkte es wie auf der Anzeigetafel eines Londoner Dachs in der Loftus
Road: QPR hatte gerade einen Schlenzer in den Winkel gesetzt. Das Leben stand
kopf. Wir waren auf dem Weg nach Wembley.
TEIL II
Umzingelung
Kapitel 6
Rubens
»P eter Paul Rubens.«
Für
einen Moment lang schienen alle Bewegungen zu erstarren und alle Laute im Raum
zu verstummen. »Die kalydonische Eberjagd« von Peter Paul Rubens. Natürlich wäre
es klug gewesen, von einer Reproduktion auszugehen, von einer unglaublich
guten, berühmten Fälschung, die auch gut und gerne eine Million oder zwei wert
sein konnte. Aber es lag etwas in seiner Stimme, in dem Nachdruck, mit dem er
die Worte aussprach, und in der ganzen Person des Clas Greve, was mich keine
Sekunde daran zweifeln ließ, dass es sich um das Original handelte. Das Bild
mit dem blutigen Jagdmotiv aus der griechischen Mythologie, mit dem Fabeltier,
das von Meleagers Speer durchbohrt wird. Das Gemälde, das verschwunden war,
nachdem die Deutschen 1941 die
Galerie in Rubens' Heimatstadt Antwerpen geplündert hatten, und von dem alle
bis Kriegsende noch gehofft hatten, es befände sich in irgendeinem Bunker in
Berlin. Ich bin zwar kein großer Kunstkenner, aber ab und zu gehe ich ins
Internet und sehe mir die Listen der verschwundenen und weltweit gesuchten
Kunstwerke an. Seit 60 Jahren
befand sich dieses Bild unter den Top Ten, wenn es auch inzwischen mehr als
Kuriosität geführt wurde, da alle davon ausgingen, dass es damals verbrannt
war, wie halb Berlin. Meine Zunge versuchte verzweifelt irgendwo am Gaumen
noch ein bisschen Feuchtigkeit zu finden:
»Du
hast dieses Gemälde einfach so in einem versteckten Raum hinter der Küche
deiner verstorbenen Großmutter gefunden?«
Greve
nickte lachend. »So etwas soll vorkommen. Aber es ist ja weder sein bestes noch
sein bekanntestes Bild. Trotzdem wird es wohl einiges wert sein.«
Ich
nickte stumm. 50 Millionen? 100? Mindestens.
Ein anderes der wiedergefundenen Rubens-Bilder, »Das Massaker der
Unschuldigen«, hatte vor wenigen Jahren erst auf einer Auktion 50 Millionen eingebracht.
Pfund. Mehr als eine halbe Milliarde Kronen. Ich brauchte Wasser.
»Es
ist eigentlich gar nicht so überraschend, dass sie ein verstecktes Kunstwerk
hatte«, sagte Greve. »Du musst wissen, dass meine Großmutter als junge Frau
sehr hübsch war und wie der Großteil der Osloer Gesellschaft während der Besetzung
Umgang mit den Deutschen gepflegt hat. In ihrem Fall mit den höchsten Offizieren.
Besonders mit einem davon, einem kunstinteressierten Oberst, von dem sie mir
oft erzählt hat, als ich bei ihr wohnte. Sie hat mir damals schon erzählt, dass
er ihr Kunstwerke gegeben hat, die sie bis Kriegsende für ihn verstecken
sollte. Leider wurde er in den letzten Kriegstagen von Mitgliedern der
Widerstandsbewegung hingerichtet. Ausgerechnet von Leuten, mit denen er noch
wenige Monate zuvor, als es noch nicht so schlecht um die Deutschen stand,
Champagner getrunken hatte. Ich schenkte den Geschichten meiner Großmutter
damals aber nicht wirklich Glauben. Bis dann die polnischen Handwerker die Tür
hinter dem Regal in der Gesindekammer fanden.«
»Fantastisch«,
flüsterte ich unwillkürlich.
»Nicht
wahr? Ich habe noch nicht überprüfen lassen, ob es wirklich das Original ist,
aber ...«
Aber
das ist es, dachte ich. Ein deutscher Oberst hätte keine Reproduktionen
gesammelt.
»Haben
deine Handwerker das Bild gesehen?«, fragte ich.
»Ja.
Aber ich bezweifle, dass sie erkannt haben, was da wirklich an der Wand hängt.«
»Sag
das nicht. Ist deine Wohnung gesichert?«
»Ich
weiß, was du meinst. Und die Antwort lautet ja. Alle Wohnungen in diesem Haus
haben einen
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