Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
Vom Netzwerk:
kein Auge zumachen
würde.
    Um
Mitternacht lag ich noch immer wach. Durch das geöffnete Fenster glaubte ich
ein leises Geräusch aus der Garage zu hören. Vermutlich Ove, der den Rubens
holte. Aber so aufmerksam ich auch lauschte, ich hörte ihn nicht wieder gehen.
Vielleicht bin ich doch irgendwann eingeschlafen. Jedenfalls träumte ich von
einer Welt unter Wasser. Von glücklichen, lächelnden Menschen, stummen Frauen
und Kindern mit Sprechblasen, die blubbernd aus ihren Mündern stiegen. Nichts,
aber auch gar nichts deutete dabei auf den Alptraum hin, der mich am anderen
Ende des Schlafs erwartete.
     
    Kapitel
11
     
    Suxamethonium
     
    Ich
stand um acht Uhr auf und frühstückte allein. Dafür, dass sie nicht den Schlaf
der Gerechten schlief, schlief Diana verdammt gut. Ich selbst hatte nur ein
paar Stunden die Augen zugemacht. Um Viertel vor neun ging ich nach unten zur
Garage und schloss die Tür auf. Durch ein offenes Fenster in der Nachbarschaft
hörte ich Turbonegro, was ich nicht an der Melodie erkannte, sondern an dem
Akzent, mit dem sie die englischen Texte sangen. Die Deckenbeleuchtung schaltete
sich automatisch ein und strahlte auf meinen Volvo S 80, der majestätisch, aber
unterwürfig auf seinen Herren wartete. Ich legte die Finger an den Handgriff
und zuckte im gleichen Moment zusammen. Auf dem Fahrersitz saß jemand! Als
sich der erste Schreck gelegt hatte, erkannte ich das längliche Gesicht von
Ove Kjikerud. Die Nachtarbeit der letzten Tage hatte ihm anscheinend zugesetzt,
denn er saß mit geschlossenen Augen und halb geöffnetem Mund da und schien
fest zu schlafen. Als ich die Tür öffnete, reagierte er nicht.
    Mit der Stimme aus dem
dreimonatigen Offizierskurs, den ich gegen den Willen meines Vaters besucht
hatte, rief ich: »Guten Morgen, Kjikerud!«
    Er zuckte nicht einmal
mit einem Augenlid. Ich holte tief Luft, um ihm den Marsch zu blasen, als ich
sah, dass die Innenverkleidung geöffnet war und der Rand des Rubens-Bildes
herausragte. Plötzlich wurde mir kalt. Ein Schauer lief mir über den Rücken,
wie im Frühling, wenn sich eine Wolke vor die Sonne schob. Und statt laut zu
werden, legte ich ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte ihn sanft. Noch
immer keine Reaktion.
    Als
ich ihn fester schüttelte, tanzte sein Kopf willenlos auf seinen Schultern hin
und her.
    Ich
legte ihm Daumen und Zeigefinger an den Hals und suchte die Halsschlagader,
wusste dann aber nicht, ob ich seinen Puls oder nur mein eigenes klopfendes
Herz spürte. Aber er fühlte sich kalt an. Viel zu kalt, oder? Mit zitternden
Fingern schob ich eines seiner Augenlider hoch. Und beseitigte auch noch die
letzten Zweifel. Unweigerlich wich ich zurück, als mich seine schwarzen
Pupillen leblos anstarrten.
    Ich
habe mich immer als Menschen betrachtet, der auch in kritischen Situationen
klar denkt und nicht in Panik verfällt. Vielleicht weil ich in meinem Leben bis
dahin keine Situation erlebt hatte, die kritisch genug war, um Panik zu bekommen.
Abgesehen von dem Moment natürlich, in dem Diana schwanger wurde. Da war ich
wirklich panisch, ohne Frage. War ich also doch ein Mensch, der zur Panik
neigte? Auf jeden Fall meldeten sich in diesem Moment eine ganze Reihe
eindeutig irrationaler Gedanken. Zum Beispiel die Tatsache, dass ich das Auto
mal wieder waschen musste. Dass Ove Kjikeruds Hemd mit dem aufgenähten
Dior-Logo vermutlich aus irgendeinem seiner Thailand-Urlaube stammte, und dass
Turbonegro im Grunde genau das waren, was sie angeblich nicht waren, nämlich
ziemlich glatte Studiomusiker. Trotz aller verwirrten Gedanken erkannte ich
aber, was gerade mit mir geschah: Ich war kurz davor, die Kontrolle zu
verlieren. Also kniff ich die Augen fest zusammen und schlug mir diese Gedanken
aus dem Kopf. Fast regte sich ein wenig Hoffnung in mir, dass das alles gar
nicht passiert war. Doch als ich die Augen wieder aufmachte, musste ich
feststellen, dass die Realität unverändert war. Der Leichnam von Ove Kjikerud
saß noch immer in meinem Auto.
    Die
erste Schlussfolgerung war einfach: Ove Kjikerud musste weg. Wurde er hier
gefunden, kam alles ans Licht. Ich drückte Kjikerud resolut gegen das Lenkrad,
legte ihm von hinten die Arme um die Brust und zog ihn aus dem Wagen. Er war
schwer, und seine Arme klappten nach oben, als versuchte er, sich aus meiner
Umklammerung zu winden. Ich zog ihn noch einmal hoch und packte fester zu, aber
wieder das Gleiche: Seine Hände wedelten vor meinem Gesicht herum, und ein
Finger verhakte

Weitere Kostenlose Bücher