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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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die Mordwaffe vorsichtig in die Hand. Entlarvend
vorsichtig.
    »Die
hast du gesehen? Die ist doch total winzig!«, fragte sie, ohne die Skepsis in
ihrer Stimme verbergen zu können.
    »Ich
habe scharfe Augen«, entgegnete ich, glaubte aber nicht, dass sie die
Doppeldeutigkeit meiner Worte bemerkte oder bemerken wollte.
    »Was
für ein Glück, dass du dich nicht daraufgesetzt hast«, sagte sie und studierte
das kleine Objekt. »Was ist das eigentlich?«
    Doch,
sie war verdammt professionell.
    »Ich
weiß es nicht«, antwortete ich leichthin. »Warum bist du in die Garage gekommen?«
    Sie
sah mich an, ihr Mund öffnete sich, und für einen Moment starrte ich in ein
glänzendes Nichts.
    »Ich
...«
    »Ja,
Schatz?«
    »Ich
lag im Bett und habe dich in die Garage gehen hören, aber dann hast du den
Motor nicht angemacht, ich habe kein Auto gehört, und irgendwann hab ich mir
eben Sorgen gemacht. Wie es aussieht, nicht zu Unrecht.«
    »Sorgen,
na ja, das ist doch bloß eine kleine Nadel.«
    »Aber
Schatz, solche Nadeln können gefährlich sein.«
    »Können
sie das?«
    »Ja,
weißt du das denn nicht? HIV, Tollwut, alle möglichen Viren und Infektionen.«
    Sie
machte einen Schritt auf mich zu. Jede ihrer Bewegungen war mir vertraut. Ihr
Blick wurde weich, und sie spitzte die Lippen. Sie wollte mich umarmen, zögerte
dann aber. Irgendetwas in meinem Blick schien sie zurückzuhalten.
    »Oh
ja«, sagte sie, starrte auf den Gummiball und legte ihn auf die Werkbank, die
ich doch nie benützen würde. Dann kam sie rasch zu mir zurück, legte die Arme
um mich und beugte sich etwas nach unten, um den Größenunterschied
auszugleichen. Sie schmiegte ihre Wange an meinen Hals und fuhr mir mit der
linken Hand durch die Haare.
    »Ich
habe ein bisschen Angst um dich, weißt du.«
    Es
war, als würde mich eine Fremde umarmen. Alles an ihr war irgendwie verändert,
sogar ihr Geruch. Oder war das gar nicht ihr Geruch? Es war abscheulich. Ihre
Hand bewegte sich hin und her, als wollte sie mir die Haare waschen, als
erreichte ihre Begeisterung für meine Haare gerade in diesem Augenblick neue
Höhen. Am liebsten hätte ich ihr mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen,
damit ich den Kontakt spürte, das Klatschen von Haut auf Haut, und ihre Schmerzen
miterlebte, den Schock, den ich ihr damit versetzte.
    Stattdessen
schloss ich die Augen und ließ sie gewähren, ließ mich von ihr massieren, mich
aufweichen, bis es mir tatsächlich gefiel. Vielleicht bin ich wirklich krank.
    »Ich
muss zur Arbeit«, sagte ich, als sie kein Ende zu finden schien. »Die
Anstellungsempfehlung muss bis zwölf Uhr fertig sein.«
    Aber
sie wollte mich nicht loslassen, so dass ich mich schließlich selbst aus ihrer
Umarmung befreien musste. In ihren Augen blitzte etwas auf.
    »Was
ist?«, fragte ich.
    Doch
sie wollte nicht antworten und schüttelte bloß den Kopf. »Diana ...«
    »Ich
wünsche dir einen schönen Tag«, flüsterte sie mit einem leichten Zittern in der
Stimme. »Ich liebe dich.«
    Und
schon war sie durch die Tür verschwunden.
    Ich
wollte ihr nachrennen, blieb aber stehen. Wäre es nicht ziemlich seltsam, die
eigene Mörderin zu trösten? Aber was war hier nicht seltsam? Schließlich setzte ich mich ins Auto, atmete
langsam aus und blickte nach hinten in den Rückspiegel.
    »Bleib
am Leben, Roger«, flüsterte ich. »Reiß dich zusammen und bleib am Leben.«
    Ich
schob den Rubens zurück unter die Deckenverkleidung, verschloss sie und hörte,
wie sich das Garagentor langsam öffnete. Ich setzte zurück und fuhr langsam
Richtung Stadt.
    Oves
Auto stand vierhundert Meter weiter unten am Straßenrand. Gut, das konnte dort
Wochen stehen, bis jemand reagierte, vermutlich bis der Schnee und mit ihm die
Räumfahrzeuge kamen. Wesentlich mehr Sorgen bereitete mir die Tatsache, dass
ich eine Leiche im Kofferraum hatte, die ich loswerden musste. Ich überlegte.
Es war widersinnig, aber meine Vorsicht im Umgang mit Ove Kjikerud geriet mir
nun zu einem echten Vorteil. Wenn ich seine Leiche erst irgendwo abgeladen
hatte, konnte mich niemand mehr mit ihm in Verbindung bringen. Aber wo?
    Als
Erstes kam mir die Müllverbrennungsanlage in Gronmo in den Sinn. Wenn ich etwas
fand, womit ich die Leiche einpacken konnte, konnte ich direkt an die Rampe
fahren und sie von dort ins knisternde Flammenmeer schmeißen. Der Nachteil war,
dass ich das Risiko einging, von anderen Leuten beobachtet zu werden, die dort
ihren Müll entsorgten, ganz zu schweigen von den Angestellten,

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