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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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oder?
    Schließlich
riss ich mich zusammen und zog ihn bis ans Ende der Brücke. Oves Bewusstsein
setzte immer wieder aus, und ich musste aufpassen, seinen Kopf über Wasser zu
halten. Mehrmals verlor ich auf dem weichen, rutschigen Boden die Balance, der
unter meinen inzwischen komplett ruinierten John-Lobb-Schuhen nachgab. Doch
nach ein paar Minuten hatte ich uns beide an Land und schließlich auch in den
Wagen bugsiert.
    Ich
stützte die Stirn gegen das Lenkrad und atmete tief durch.
    Der
verdammte Vogel krächzte höhnisch, als die Räder auf dem Schotter durchdrehten
und wir endlich wegfuhren.
     
    Ich
war, wie gesagt, nie zuvor bei Ove Kjikerud gewesen, kannte aber seine Adresse.
Ich öffnete das Handschuhfach, nahm das schwarze Navigationsgerät heraus und
tippte Straßennamen und Hausnummer ein, wobei ich versuchte, auf meiner Spur
zu bleiben. Das GPS berechnete die kürzeste Fahrtstrecke, analytisch und
gefühllos. Sogar die freundliche, kontrollierte Frauenstimme, die mir die
Anweisungen gab, klang vollkommen unbeeindruckt von den Geschehnissen. Auch ich
musste mich jetzt so verhalten, schärfte ich mir innerlich ein. Korrekt
handeln wie eine Maschine und keine dummen Fehler machen.
    Eine
halbe Stunde später hatte ich die Zieladresse erreicht. Es war eine schmale,
stille Straße. Kjikeruds winziges, altes Haus lag ganz am Ende, vor einer Wand
aus dunkelgrünem Nadelwald. Ich hielt an, musterte das Haus und stellte erneut
fest, dass hässliche Architektur keine Erfindung der Moderne war.
    Ove
saß neben mir auf dem Sitz, auch er hässlich wie ein Gespenst, leichenblass und
so nass, dass seine Kleider gurgelnd schmatzten, als ich seine Taschen
durchsuchte. Schließlich fand ich den Schlüssel.
    Ich
schüttelte ihn wach. Er sah mich nur mit benebeltem Blick an.
    »Kannst
du gehen?«, fragte ich.
    Er
starrte mich an wie einen Außerirdischen. Seine Kieferpartie war noch weiter
vorgeschoben als sonst, so dass er aussah wie eine Kreuzung aus einer
Steinfigur auf den Osterinseln und Bruce Springsteen.
    Ich
zog ihn aus dem Auto und stützte ihn auf dem Weg zur Tür. Schloss sie gleich
mit dem richtigen Schlüssel auf und dachte, dass sich unser Glück jetzt
vielleicht doch wieder wendete. Dann schleppte ich ihn ins Haus.
    Ich
war gerade auf dem Weg in den Flur, als es mir plötzlich einfiel: Der Alarm!
Ich brauchte jetzt definitiv keine Wachleute von Tripolis und sicher auch
keine Überwachungskamera, die mich mit einem halbtoten Ove Kjikerud zeigte.
    »Wie
lautet das Passwort?«, schrie ich Ove ins Ohr.
    Er
zuckte zusammen und wäre mir beinahe aus den Armen gerutscht.
    »Ove,
das Passwort!«
    »Häh?«
    »Ich
muss den Alarm deaktivieren!«
    »Natascha
...«, murmelte er mit geschlossenen Augen.
    »Ove,
jetzt reiß dich zusammen!«
    »Natascha
...«
    »Das
Passwort!« Ich gab ihm eine heftige Ohrfeige, und sofort riss er die Augen
auf.
    »Aber
das sage ich doch, du Idiot! NATASCHA!«
    Ich
ließ ihn los und hörte ihn zu Boden fallen, als ich zum Ausgang hastete. Hinter
der Haustür fand ich rasch den Steuerungskasten der Alarmanlage, inzwischen
kannte ich die Lieblingsstellen der Monteure von Tripolis. Eine kleine rote
Lampe blinkte und verriet mir, dass der Countdown bis zur Alarmauslösung lief.
Ich tippte den Namen der russischen Hure ein, doch beim letzten »a« fiel mir
ein, dass Ove Legastheniker war. Weiß der Teufel, wie er ihren Namen geschrieben
hatte! Aber meine fünfzehn Sekunden waren bald um, es war zu spät, ihn noch zu
fragen. Ich tippte das letzte »a«, schloss die Augen und wartete auf den
Alarmton. Wartete. Aber es kam kein Ton. Als ich die Augen wieder öffnete,
blinkte das rote Lämpchen nicht mehr. Ich atmete aus und versuchte nicht daran
zu denken, wie knapp es gewesen war.
    Als
ich in den Flur zurückkam, war Ove verschwunden. Ich folgte seinen nassen
Fußspuren ins Wohnzimmer. Der Raum schien auch als Arbeitszimmer, Esszimmer und
Schlafzimmer genutzt zu werden. An der einen Wand stand ein Doppelbett unter
einem der Fenster, während gegenüber ein Plasmafernseher hing. In der Mitte
thronte ein Sofatisch mit einem Pizzakarton mit Essensresten. An einer Wand
stand ein Schraubstock, in dem eine abgesägte Schrotflinte steckte. Ove war
ins Bett gekrochen und stöhnte. Vor Schmerzen, dachte ich. Ich hatte zwar keine
Ahnung, was Suxamethonium mit dem menschlichen Körper anstellte, konnte mir
aber denken, dass es nicht besonders angenehm war.
    »Wie
geht es dir?«, fragte ich, ging zu ihm und

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