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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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die Zweige nicht viele Regentropfen
durchließen, daher waren meine Haare, als ich endlich in der Blockhütte war,
noch überraschend trocken. Ich wollte Feuer im Kamin machen, ließ es dann aber
bleiben. Wenn ich schon das Auto versteckte, war es nicht besonders klug, den
Menschen über Rauchsignale zu verkünden, dass jemand in der Hütte war.
    Erst
jetzt spürte ich, wie hungrig ich war.
    Ich
hängte Oves Jeansjacke über einen Stuhl in der Küche, durchsuchte die Schränke
und fand schließlich eine letzte Dose Labskaus von Oves und meinem vorigen
Aufenthalt. In den Schubladen war weder Besteck noch Dosenöffner, aber es
gelang mir, mit dem Lauf der Glock ein Loch in die Dose zu schlagen und den
fettigen, salzigen Inhalt mit den Fingern herauszufischen.
    Danach
starrte ich in den Regen, der auf den Wald und den kleinen freien Platz
zwischen der Hütte und dem Klohäuschen fiel. Ich ging ins Schlafzimmer, schob
die Mappe mit dem Rubens unter die Matratze und legte mich auf das untere
Bett, um nachzudenken. Ich kam nicht weit. Vermutlich wegen all des Adrenalins,
das ich an diesem Tag produziert hatte. Als ich die Augen wieder öffnete, wurde
mir klar, dass ich geschlafen haben musste. Ich blickte auf die Uhr. Vier Uhr
nachmittags. Dem Display des Handys entnahm ich, dass ich acht unbeantwortete
Anrufe hatte. Vier von Diana, die vermutlich die besorgte Ehefrau spielen und
mich fragen wollte, wo in Gottes Namen ich steckte - während Greve sich über
ihre Schulter beugte. Drei von Ferdinand, der wohl auf meine
Anstellungsempfehlung wartete oder wenigstens auf Instruktionen, wie er sich
Pathfinder gegenüber verhalten sollte. Eine Nummer erkannte ich nicht sofort
wieder, weil ich sie von der Adressliste gelöscht hatte. Aber nicht aus dem
Gedächtnis oder meinem Herzen. Und während ich auf die Nummer starrte, wurde
mir bewusst, dass ich - der ich im Laufe meiner mehr als dreißig Jahre auf
dieser Erde genug Studienkameraden, Ex-Freundinnen, Kollegen und
Geschäftsfreunde zusammengetragen hatte, um ein Netzwerk zu haben, das im
Outlook mehr als zwei Megabyte einnahm - nur einen einzigen Menschen hatte,
dem ich vertraute. Eine Frau, die ich streng genommen bloß drei Wochen kannte.
Na ja, die ich drei Wochen gebumst hatte. Eine wortkarge Dänin mit braunen
Augen, die sich wie eine Vogelscheuche anzog und deren Vorname gerade einmal
fünf Buchstaben hatte. Ich weiß nicht, wer von uns der tragischere Fall war.
    Ich
rief die Auslandsauskunft an und ließ mir eine Nummer geben. Die meisten
Telefonzentralen in Norwegen sind nachmittags um vier Uhr bereits geschlossen,
die Angestellten sind dann schon zu Hause bei ihrem kranken Ehepartner, so geht
es jedenfalls aus der Statistik des Landes hervor, das die kürzesten
Arbeitszeiten, die großzügigsten Sozialleistungen und die höchste Zahl an
Krankmeldungen hatte. Die Telefonzentrale von HOTE hingegen war besetzt und
meldete sich, als sei das die normalste Sache der Welt. Ich hatte weder Namen
noch Abteilung und spielte nicht ohne Risiko.
    »Can
you put me through to the new guy, dear?«
    »New
guy, sir?«
    »You
know. Head of technical division.«
    »Felsenbrink
is hardly new, sir.«
    »To
me he is. So, is Felsenbrink in, dear?«
    Vier
Sekunden später hatte sie mich mit einem Holländer verbunden, der nicht nur
arbeitete, sondern sich überdies frisch und höflich anhörte, obwohl es bereits
eine Minute nach vier Uhr war.
    »I'm
Roger Brown from Alfa
Recruting.« Das stimmte. »Mister Clas Greve has
given us your name as a reference. « Das
stimmte nicht.
    »Right«,
sagte der Mann und hörte sich nicht im Mindesten überrascht an. »Clas Greve is
the best manager I've ever worked with.«
    »So you ...«, begann
ich.
    » Yes,
sir, my most sincere recommendations. He is the perfect man for Pathfinder. Or
any other company for that matter.«
    Ich
zögerte. Entschied mich dann aber anders. »Thank you, Mister Fenselbrink.«
    »Felsenbrink.
Any time.«
    Ich
steckte das Handy zurück in die Hosentasche. Mir war nicht ganz klar warum,
aber ich hatte das Gefühl, dass ich gerade einen Fehler gemacht hatte.
    Draußen
schüttete es noch immer unerbittlich, und in Ermangelung besserer Ideen nahm
ich den Rubens hervor und studierte ihn im Licht des Küchenfensters. Das
wütende Gesicht des Jägers Meleager, als er seine Beute aufspießt. Plötzlich
wusste ich, an wen er mich erinnert hatte, als ich das Bild zum ersten Mal
gesehen hatte: an Clas Greve. Ein Zufall, natürlich, aber

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