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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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Diana hatte mir
einmal erzählt, Diana sei der Name der römischen Göttin, die man um Jagdglück
und um leichte Geburt bat und die auf Griechisch Artemis hieß. Und Artemis
hatte doch auch den Jäger Meleager ausgesandt, oder? Ich gähnte und verlor mich
in dem Bild, bis mir bewusst wurde, dass ich da etwas durcheinanderbrachte. Es
war genau umgekehrt: Artemis hatte das Untier ausgesandt. Ich rieb mir die
Augen. Ich war noch immer müde.
    Plötzlich
bemerkte ich, dass sich etwas verändert hatte, was ich aber nicht mitbekommen
hatte, da ich mich so auf das Bild konzentriert hatte. Ich sah aus dem Fenster
und hörte es im gleichen Moment: Der Regen hatte aufgehört.
    Ich
legte das Bild zurück in die Mappe und entschied mich, es an einem anderen Ort
zu verstecken. Ich konnte ja nicht die ganze Zeit in der Hütte bleiben, ich
musste schließlich einkaufen und etwas unternehmen. Und diesem Sindre Aa vertraute
ich definitiv nicht.
    Ich
blickte mich um, bis mein Blick auf das Klohäuschen fiel. Die Deckenverkleidung
bestand aus lose aufgelegten Brettern. Als ich über den Platz vorm Haus ging,
merkte ich, dass ich eine Jacke hätte anziehen sollen. Die erste Frostnacht
konnte jederzeit kommen.
    Das
Klohäuschen war ein notdürftig zusammengezimmerter Verschlag: vier Wände mit
Ritzen zwischen den Brettern, die eine natürliche Belüftung sicherstellten, sowie
eine Holzkiste mit einem kreisrunden Loch, das mit einem viereckigen, grob
zurechtgehauenen Deckel verschlossen war. Ich schob drei leere Klopapierrollen
und ein Wochenmagazin mit dem Foto eines unter Drogen stehenden Promis zur
Seite und kletterte auf die Kiste. Ich streckte mich zu den Deckenbrettern,
die lose auf den Querbalken lagen, und wünschte mir zum millionsten Mal, ein
paar Zentimeter größer zu sein. Zu guter Letzt gelang es mir aber, ein Brett
hochzudrücken, die Mappe nach oben zu schieben und das Brett wieder wie vorher
hinzulegen. Während ich breitbeinig über dem Klo stand und durch die Ritzen
nach draußen blickte, erstarrte ich plötzlich.
    Es
war mucksmäuschenstill, nur noch vereinzelt fielen schwere Tropfen von den
Bäumen zu Boden. Trotzdem hatte ich nichts gehört, nicht einen brechenden Zweig
oder das Gurgeln eines Schrittes auf dem matschigen Weg. Oder auch nur ein
Winseln des Hundes, der dort neben seinem Herrchen am Waldrand stand. Wäre ich
in der Hütte gewesen, hätte ich beide nicht sehen können. Sie standen im toten
Winkel, wenn man aus den Hüttenfenstern blickte. Der Hund sah aus wie ein
Haufen Muskeln, Kiefer und Zähne in der Karosserie eines Boxers, nur kleiner
und viel gedrungener. Lassen Sie es mich noch einmal wiederholen: Ich hasse
Hunde. Clas Greve trug einen Tarnponcho und eine grüne Mütze. Er hatte keine
Waffe in der Hand, doch die konnte auch unter dem Poncho versteckt sein.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass dieses Gelände für Greve perfekt war.
Wildnis, keine Zeugen, ein Ort, an dem man spielend leicht eine Leiche
verbergen konnte.
    Plötzlich
bewegten sich Hund und Herrchen synchron, wie auf ein lautloses Kommando.
    Mein
Herz hämmerte vor Angst, trotzdem konnte ich meinen Blick nicht abwenden. Die
Geschwindigkeit und die absolute Lautlosigkeit, mit der sie sich vom Waldrand
entfernten und auf die Hütte zugingen, in der sie schließlich ohne zu zögern
verschwanden, faszinierte mich. Sie ließen die Tür offen stehen.
    Ich
wusste, dass mir nur ein paar Sekunden blieben, bis Greve wusste, dass die
Hütte leer war, ich mich aber in der Nähe befinden musste, da meine Jacke noch
über dem Stuhl hing. Und ... verdammt! ... bis er die Glock neben der leeren
Labskausdose auf dem Küchentisch fand. Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren, kam
aber trotzdem nur zu einer Schlussfolgerung: Ich hatte nichts. Keine
Rückzugsmöglichkeit, keinen Plan und keine Zeit. Begann ich zu laufen, dauerte
es nur Sekunden, bis ich den zwanzig Kilo schweren Nietherterrier an der Hacke
und eine Neun-Millimeter-Bleikugel im Hinterkopf hatte. Ich steckte im
wahrsten Sinn des Wortes in der Scheiße. Da geriet mein Hirn in Panik, um
gleich darauf etwas zu tun, was ich ihm nicht zugetraut hätte.
    Es
ging einfach noch mal einen Schritt zurück. Zu »in der Scheiße«.
    Ein
Plan. Ein verzweifelter und in jeglicher Hinsicht abstoßender Plan. Aber
dennoch ein Plan, für den mit allem Nachdruck ein einziger Grund sprach: Es
gab keine Alternative.
    Ich
nahm eine der leeren Klopapierrollen, steckte sie mir in den Mund und überprüfte,
wie dicht ich

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