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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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parkte. Ich legte
meine nassen Kleider in den Kofferraum, nahm den Rubens aus der
Deckenverkleidung und schob ihn in die Mappe, schloss den Wagen ab und ging.
Oves Auto stand noch immer dort, wo ich es am Morgen gesehen hatte. Ich legte
die Mappe auf den Beifahrersitz und fuhr Richtung Elverum.
    Da
war die Abzweigung. Sie kam plötzlich, und ich musste mich konzentrieren und
vorsichtig bremsen. Schlechte Sicht und Aquaplaning. Bei solchen
Straßenverhältnissen rutschte man schnell in den Straßengraben. Ich musste
aufpassen, denn was ich jetzt gar nicht gebrauchen konnte, waren die Bullen
oder weitere Nackenschläge.
    Dann
war ich plötzlich auf dem Land. Nebelfetzen hingen über den Höfen und den
leicht hügeligen Feldern neben der Straße, die immer schmaler und kurviger
wurde. Ich hing in der Gischt eines Lastwagens, der Werbung für Sigdal-Küchen
machte, und so war es eine Erlösung, als wir endlich zur nächsten Abzweigung
kamen und ich die Straße wieder für mich hatte. Die Löcher im Asphalt wurden
größer und zahlreicher und die Höfe kleiner und seltener. Eine dritte Abzweigung.
Ein Schotterweg. Eine vierte. Verdammte Einöde. Tiefhängende, regenschwere
Zweige kratzten über den Lack des Autos wie die Finger eines Blinden, der einen
Fremden zu identifizieren versucht. Ich fuhr nur noch im Schneckentempo, war
aber zwanzig Minuten später da, ohne auf dem Weg auch nur ein einziges Haus
gesehen zu haben.
    Ich
zog die Kapuze von Oves Pulli über den Kopf und lief durch den Regen, vorbei an
der Scheune mit dem seltsam schiefen Anbau. Laut Ove war Sindre Aa, der
Einsiedler, der hier wohnte, zu geizig gewesen, um seinem Anbau ein Fundament
zu geben, so dass dieser mit den Jahren Zentimeter um Zentimeter im Lehm
versank. Ich selbst hatte mit dem Bauern noch nie gesprochen, darum hatte sich
immer Ove gekümmert. Aber ich hatte ihn ein paar Mal aus der Ferne gesehen
und erkannte seine leicht gebeugte, magere Gestalt auf der Treppe des
Wohnhauses. Weiß Gott, wie er bei dem Regen das Auto gehört hatte. Eine fette
Katze strich um seine Beine.
    »Guten
Tag!«, rief ich schon von weitem.
    Keine
Antwort.
    »Guten
Tag, Aa!«, wiederholte ich. Noch immer keine Antwort.
    Ich
blieb im Regen am Fuß der Treppe stehen und wartete. Die Katze schlich zu mir
nach unten. Dabei hatte ich immer geglaubt, dass Katzen Regen hassen. Sie hatte
mandelförmige Augen, wie Diana, und drückte sich an mich, als wäre ich ein
alter Bekannter. Oder besser: als wäre ich ihr total fremd. Der Bauer senkte
das Gewehr. Ove hatte mir einmal erzählt, dass der Alte das Zielfernrohr des
Gewehrs benutzte, um zu erkennen, wer zu Besuch kam. Er war zu geizig, um sich
ein ordentliches Fernglas zu kaufen. Aus dem gleichen Grund hatte er aber auch
nie Munition gekauft, so dass keine Gefahr bestand. Sicher aber hatte sein
bewaffnetes Auftreten die gewünschte dämpfende Wirkung auf die Häufigkeit
uneingeweihter Besucher. Aa spuckte über das Geländer.
    »Wo
steckt'n dieser Kjikerud, hä, Brown?« Seine Stimme knirschte wie eine schlecht
geölte Tür, und die Art, wie er Kjikerud aussprach, klang wie eine
Beschwörung. Ich hatte keine Ahnung, woher er meinen Namen kannte. Sicher nicht
von Ove.
    »Der
kommt später«, sagte ich. »Kann ich den Wagen in der Scheune abstellen?«
    Aa
spuckte noch einmal aus. »Das kostet aber was. Und dein Wagen ist das auch
nicht, das ist Kjikeruds. Wie will er denn herkommen?«
    Ich
holte tief Luft. »Auf Skiern. Wie viel wollen Sie?«
    »Fünfhundert
pro Tag.«
    »Fünf...
hundert?«
    Er
grinste. »Unten an der Straße ist es gratis.«
    Ich
nahm drei von Oves Zweihundertern und ging die Treppe hoch, wo Aa bereits mit
ausgestreckter Hand wartete. Er stopfte das Geld in einen prallen Geldbeutel
und spuckte noch einmal aus.
    »Das
Wechselgeld können Sie mir später geben«, sagte ich.
    Er
antwortete nicht, sondern verschwand im Haus und knallte die Tür hinter sich
zu.
     
    Ich
fuhr das Auto rückwärts in die Scheune und hätte die Reifen im Dunkeln beinahe
an den scharfen Stahlspitzen eines Siloblockschneiders aufgeschlitzt. Zum Glück
war er an der Rückseite von Sindre Aas blauem Massey-Ferguson-Traktor befestigt
und etwas angehoben, so dass er, statt gleich die Reifen zu durchbohren, über
den Kofferraumdeckel kratzte und mich noch rechtzeitig warnte, bevor die Spitzen
die Heckscheibe durchbohrten.
    Ich
parkte neben dem Traktor, nahm die Mappe und lief zur Hütte hinauf. Zum Glück
war der Nadelwald so dicht, dass

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