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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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hier rauswerfen, mich aus dieser wohlig
weichen Wolke verbannen und mich in die Tiefe stürzen. Dann werde ich fallen,
endlos, bis ich ganz unten bin, wo ich hingehöre, im Feuer, in der
Schmiedehalle, im ewig währenden Säurebad meiner Sünden.
    Ich
schloss die Augen und flüsterte, dass ich am liebsten noch nicht gestört werden
würde.
    Der
Engel nickte verständnisvoll, deckte mich sorgfältig zu und verschwand auf
klappernden Holzsohlen. Ich hörte Stimmen auf dem Flur, bevor die Tür hinter
ihr ins Schloss fiel.
    Ich
betastete die Bandage, die sie mir um den Hals gewickelt hatten. Ein paar
Erinnerungsfetzen tauchten in meinem Bewusstsein auf. Das Gesicht des großen,
dünnen Mannes über mir, der Rücksitz eines Autos, das schnell über kurvige
Straßen fuhr, zwei Männer in Krankenpflegerkitteln, die mir auf eine Bahre
halfen. Die Dusche. Ich hatte in einer Dusche gelegen, in warmem, angenehmem
Wasser, bis ich wohl wieder die Besinnung verloren hatte.
    Am
liebsten wäre ich wieder ohnmächtig geworden, aber mein Hirn verriet mir, dass
dieser Luxus nur vorübergehend war, dass der Sand noch immer durch die Sanduhr
rann, die Erde sich noch immer drehte und der Lauf der Dinge unaufhaltsam war.
Nur für einen kurzen Moment hatte alles innegehalten und tief durchgeatmet.
    Nachdenken.
    Ja,
doch, das Nachdenken tut weh! Wie viel leichter wäre es jetzt, einfach
loszulassen und zu resignieren, sich nicht gegen die Schwerkraft des Schicksals
zu wehren. Es ist nur so, dass der triviale Lauf der Dinge so enervierend und
blöd ist, dass man einfach wütend werden muss.
    Und
anfängt nachzudenken.
    Dass
dort draußen Clas Greve saß und mit mir reden wollte, war ausgeschlossen, aber
es konnte natürlich die Polizei sein. Ich sah auf die Uhr. Acht Uhr morgens.
Wenn die Polizei die Leiche von Sindre Aa bereits entdeckt hatte und mich
verdächtigte, war es wenig wahrscheinlich, dass bloß ein Mann kam, der dann
höflich draußen vor der Tür wartete. Vielleicht war es ein Beamter, der
einfach fragen wollte, was geschehen war, vielleicht ging es um den Traktor,
der vermutlich noch immer auf der Straße stand ... vielleicht hoffte ich aber
auch nur, dass es die Polizei war. Oder hatte ich jetzt genug gelitten? Sollte
ich einfach mein Leben retten und ihnen sagen, wie alles zusammenhing? Ich lag
da, spürte in mich hinein, und fühlte, wie das Lachen in mir aufstieg. UND WIE!
    Im
gleichen Moment ging die Tür auf, die Geräusche auf dem Flur drangen zu mir
herein und ein Mann in weißem Kittel betrat das Zimmer. Er sah blinzelnd auf
die Schreibunterlage, die er in der Hand hatte.
    »Ein
Hundebiss?«, fragte er, hob den Kopf und lächelte mich an.
    Ich
erkannte ihn sofort wieder. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und wir waren
allein.
    »Tut
mir leid, dass ich nicht länger warten konnte«, flüsterte er.
    Der
weiße Arztkittel kleidete Clas Greve. Weiß der Himmel, wie er daran gekommen
war und wie er mich gefunden hatte. Mein Handy lag doch in einem Bach. Weniger
fraglich war, was jetzt geschehen würde. Und als wollte er das bestätigen,
steckte er die Hand in die Kitteltasche und zog eine Pistole heraus. Meine
Pistole. Oder genauer gesagt, Oves Pistole. Und um ganz genau zu sein: eine
Glock 17 mit
Neun-Millimeter-Bleikugeln, die sich verformen, wenn sie auf Gewebe treffen,
und in Anbetracht ihrer geringen Größe eine unverhältnismäßig große Menge
Fleisch, Muskeln, Knochen und Gehirnmasse herausreißen und - nachdem sie den
Körper passiert haben - das Ganze an die Wand hinter dir klatschen, welche
dann aussieht wie ein Gemälde von Barnabas Furnas. Die Mündung der Pistole
zeigte auf mich. Es wird häufig behauptet, man habe in einem solchen Moment
einen trockenen Mund. Ich kann diese Behauptung nur bestätigen.
    »Ich
hoffe, es geht in Ordnung, dass ich deine Pistole benutze, Roger?«, sagte Clas
Greve. »Meine eigene habe ich nicht mit nach Norwegen genommen. Es ist
heutzutage so ein Aufwand mit Flugzeugen und Waffen, außerdem konnte ich das
alles ...« Er breitete die Arme aus. »... nicht vorhersehen. Andererseits ist
es wohl auch besser, wenn die Kugel nicht zu mir zurückverfolgt werden kann,
nicht wahr, Roger?«
    Ich
antwortete nicht.
    »Nicht
wahr?«, wiederholte er.
    »Warum
...«, begann ich mit einer Stimme, die so rau war wie ein Wüstenwind.
    Clas
Greve wartete mit aufrichtiger Neugier, bis ich den Satz fortsetzte.
    »Warum
tust du das alles?«, flüsterte ich. »Alles nur wegen einer Frau, die du

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