Headhunter
verschwunden war, weil die Sender in
meinen Haaren zu diesem Zeitpunkt unter einer Schicht von Exkrementen lagen,
welche die HOTE-Sender bekanntermaßen nicht durchdringen konnten. Ich Idiot
hatte mehr Glück gehabt, als ich verdiente.
Dann
hatte Greve seinen Hund auf die Suche nach mir geschickt und selbst in der
Hütte gewartet, immer noch, ohne Signale zu empfangen. Denn der in den Haaren
getrocknete Kot blockierte die Sender auch noch, als ich in der Scheune war,
die Leiche von Sindre Aa fand und mit dem Traktor die Flucht ergriff. Erst
mitten in der Nacht hatte das GPS-Ortungsgerät plötzlich wieder Signale von
sich gegeben. Zu diesem Zeitpunkt lag ich im Badezimmer des Krankenhauses und
bekam die Haare gewaschen. Greve hatte sich daraufhin vermutlich sofort ins
Auto gesetzt und war im Morgengrauen beim Krankenhaus angekommen. Weiß der Teufel,
wie er den Lastzug gestohlen hatte, aber mich zu finden, den geistesschwachen,
lallenden Brown, war ein Kinderspiel gewesen.
Die
Finger an Sundeds abgerissenem Arm umklammerten noch immer den Griff des
Beautycase. Die Uhr an seinem Handgelenk tickte. 10.16 Uhr. In einer Minute würde ich das Bewusstsein verlieren. In
zweien ersticken. Entscheide dich, Greve.
Und
dann tat er es.
Ich
hörte den Lastzug rülpsen, dann wurde der Motor leiser. Er hatte ihn
ausgeschaltet und war auf dem Weg hierher!
Oder
... oder er hatte einen Gang eingelegt?
Ein
leises Brummen. Das Knirschen von Schotter unter Reifen, die 25 Tonnen trugen. Dann wurde das Brummen lauter. Und lauter.
Und wieder leiser, bis es in der Ferne verschwand und erstarb.
Ich
schloss die Augen und bedankte mich. Dafür, dass ich nicht von Greve verbrannt
wurde, sondern lediglich erstickte. Denn diese Art zu sterben sollte recht
angenehm sein: Das Hirn macht bloß nach und nach die Zimmertüren zu. Man wird
schläfrig, benommen, hört auf zu denken, und damit verschwinden dann auch die
Probleme. In gewisser Weise erinnert es an die Wirkung kräftiger Drinks. Doch,
dachte ich, mit so einem Tod kann ich leben.
Ich
musste fast lachen bei diesem Gedanken.
Ich,
der ich fast mein ganzes Leben darauf verwendet hatte, das Gegenteil von meinem
Vater zu werden, sollte also wie er in einem Autowrack sterben. Doch war ich
wirklich so anders als er? Als ich zu alt war, um von diesem verdammten Säufer
verprügelt zu werden, hatte ich begonnen, ihn zu schlagen. Auf die gleiche Art,
wie er Mutter schlug, nämlich ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen. Ich hatte
es zum Beispiel höflich abgelehnt, als er anbot, mir das Fahren beizubringen,
und ihm mitgeteilt, dass ich gar keinen Führerschein machen wollte. Ich hatte
die hässliche, verwöhnte Botschaftertochter angemacht, die Vater jeden Tag zur
Schule fuhr, nur um sie mittags mit nach Hause zu bringen und ihn zu demütigen.
Und es bereut, als ich Mutter zwischen Hauptgericht und Nachtisch in der Küche
weinen sah. Ich hatte mich in London auf exakt der Schule beworben, die Vater
einmal als Tummelplatz all jener bezeichnet hatte, die sich später in die
soziale Hängematte legen wollten. Aber das alles war ihm nicht so nah gegangen,
wie ich gehofft hatte. Es war ihm sogar gelungen, einigermaßen stolz zu
lächeln, als ich es ihm erzählte. Er war schon gerissen. Und als er mich
später in jenem Herbst fragte, ob Mutter und er mal aus Norwegen kommen und
mich auf dem Campus besuchen könnten, lehnte ich ab, und zwar mit der
Begründung, ich wolle nicht, dass meine Kommilitonen entdeckten, dass mein
Vater kein hohes Tier im Diplomatischen Korps, sondern bloß ein simpler Chauffeur
sei. Ich glaubte zu spüren, dass ich ihn damit an einem wunden Punkt erwischte.
Nicht wund im Sinne von sensibel, sondern einfach schmerzhaft.
Ich
hatte Mutter vierzehn Tage vorher über die Hochzeit informiert und ihr gesagt,
dass es nur eine einfache Zeremonie geben würde, bloß meine Braut und ich und
die Trauzeugen. Dass sie aber willkommen sei, so sie denn ohne Vater käme.
Mutter hatte wütend gesagt, dass sie ohne ihn natürlich nicht kommen würde.
Edle, treue Seelen leiden ja oft unter Loyalität, sogar zu den niedrigsten
Menschen. Ja, vor allem zu solchen.
Diana
hätte meine Eltern eigentlich nach Abschluss des Sommersemesters kennenlernen
sollen, aber drei Wochen vor unserer Abreise aus London rief mich ein Polizist
über eine schlechte Telefonleitung an und informierte mich über den Autounfall.
Sie waren auf dem Rückweg von der Hütte gewesen. Es war dunkel und hatte
geregnet, und sie
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