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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbo
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- wie schon gesagt - seltsame Sachen. Also verdrängte ich den
Gedanken und schaltete den Rasierer ein. Die Maschine, die einmal einem Mann
namens Sunded gehört hatte, vibrierte in meiner Hand.
    Ich
sollte mich verändern. Ich wollte mich verändern. Auch der alte Roger Brown
existierte nun nicht mehr. Ich fing an.
    Eine
Viertelstunde später betrachtete ich mich in dem letzten Stück Rückspiegel,
das noch in der Halterung hing. Es war - wie ich schon befürchtet hatte - kein
schöner Anblick. Mein Kopf sah aus wie eine Erdnuss mit Schale, länglich und
mit einer kleinen Delle in der Mitte. Der glattrasierte Schädel leuchtete
blass und weiß über dem gebräunten Gesicht. Aber ich war ich: der neue Roger
Brown.
    Zwischen
meinen Beinen lagen meine abrasierten Locken. Ich stopfte sie in die
durchsichtige Plastiktüte, die ich dann in die Gesäßtasche von Eskild Monsens
Uniformhose schob. Dort fand ich auch eine Geldbörse. Sie enthielt ein bisschen
Bares und eine Kreditkarte. Da ich keine Lust hatte, mich durch den Gebrauch
von Ove Kjikeruds Kreditkarte aufspüren zu lassen, nahm ich die Geldbörse mit.
In der Jackentasche des Pickeligen fand ich ein Feuerzeug und überlegte einen
Moment, ob ich das benzinmarinierte Autowrack nicht anzünden sollte. Das würde
die Identifizierung der Leichen erschweren und mir vielleicht einen Tag Ruhe
geben. Andererseits würde auf den ersten Rauch ziemlich rasch ein Notruf
folgen, noch bevor ich die Gegend verlassen hatte, während ohne Rauch und mit
ein bisschen Glück noch Stunden vergehen konnten, bis jemand das Wrack
entdeckte. Ich starrte auf die fleischige Fläche, auf der einmal das Gesicht
des Pickeligen gesessen hatte, und fasste einen Entschluss. Ich brauchte
beinahe zwanzig Minuten, um ihm Hose und Jacke auszuziehen und ihm dann meinen
eigenen, grünen Jogginganzug anzuziehen. Es ist merkwürdig, wie schnell man
sich daran gewöhnen kann, Menschen aufzuspießen und aufzuschneiden. Mit
chirurgischer Akribie trennte ich ihm die Haut von den Zeigefingern ab (ich
wusste nicht, ob Fingerabdrücke von der rechten oder linken Hand genommen wurden)
und schnitt danach auch noch die Daumen ein, damit die Verletzungen natürlicher
wirkten und damit glaubhaft. Als ich fertig war, trat ich zwei Schritte vom
Wrack zurück und musterte das Resultat. Blut, Tod und Stille. Sogar der braune
Fluss am Rand des Waldes schien in stummer Unbeweglichkeit eingefroren zu sein.
Irgendwie erinnerte mich das Ganze sehr an die skandalträchtigen, makabren
Installationen von Morten Viskum. Hätte ich eine Kamera gehabt, ich hätte
Bilder gemacht, sie Diana geschickt und ihr vorgeschlagen, die Abzüge in der
Galerie auszustellen. Wie eine Warnung vor all dem, das noch kommen sollte.
Denn was hatte Greve gesagt? Es ist die Angst und nicht der Schmerz, der dich
gefügig macht.
     
    Ich
ging an der Hauptstraße entlang. Natürlich riskierte ich, dass Clas Greve über
diese Straße fuhr und mich sah. Aber ich machte mir keine Sorgen. Zum einen
würde er den kahlgeschorenen Typen in der schwarzen Nylonjacke mit dem
Schriftzug des Elverum Ko-Daw-Ying-Clubs auf dem Rücken nicht erkennen. Zum
anderen ging diese Person anders als der Roger Brown, den er kennengelernt
hatte: Sie bewegte sich aufrechter und langsamer. Und drittens ließ das
GPS-Gerät keinen Zweifel daran, dass ich mich noch im Inneren des Autowracks
befand und mich keinen Meter bewegt hatte. Logisch. Ich war ja auch tot.
    Ich
lief an einem Hof vorbei, ging aber weiter. Ein Auto fuhr an mir vorbei und
bremste leicht ab. Vielleicht fragten sich die Insassen, wer ich war, doch dann
gaben sie wieder Gas und verschwanden im scharfen Herbstlicht.
    Es
roch gut hier draußen. Erde und Gras, Wald und Kuhmist. Die Wunden im Nacken
brannten etwas, aber die Steifheit meines Körpers ließ zunehmend nach. Ich
machte immer längere Schritte, atmete tief durch und spürte, wie die Lebensgeister
in mich zurückkehrten.
    Nach
einer halben Stunde Weg befand ich mich noch immer auf dem gleichen, endlosen
Feld, sah in der Ferne aber ein blaues Schild und ein kleines Schutzhäuschen.
Eine Bushaltestelle.
    Eine
Viertelstunde später stieg ich in einen grauen Überlandbus, bezahlte mit dem
Bargeld aus Eskild Monsens Portemonnaie und erfuhr, dass der Bus nach Elverum
fuhr, von wo aus ich mit der Bahn Anschluss nach Oslo hatte. Ich nahm gegenüber
von zwei platinblonden Frauen Mitte dreißig Platz. Keine von beiden würdigte
mich auch nur eines Blickes.
    Ich
döste

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