Headhunter
auf
Englisch an.
Der
Weg von der Bushaltestelle zu Oves Haus ging steil bergauf, trotzdem fror ich,
als ich endlich daran vorbeiging. Ich umkreiste die Gegend ein paar Minuten
lang, um sicherzugehen, dass keine Polizei in der Nähe war. Dann ging ich
rasch zur Tür und schloss auf.
Drinnen
war es warm. Der Thermostat war mit einer Zeitschaltuhr verbunden.
Ich
tippte »Natascha« ein, um den Alarm zu deaktivieren, und ging in das
kombinierte Wohn- und Schlafzimmer. Es roch wie beim letzten Mal: dreckiges
Geschirr, ungewaschenes Bettzeug, Waffenöl und Schwefel. Ove lag noch immer so
auf dem Bett, wie ich ihn zurückgelassen hatte. Es kam mir vor, als läge das
alles schon eine Woche zurück.
Ich
fand die Fernbedienung, legte mich neben Ove aufs Bett und schaltete den
Fernseher ein. Blätterte durch den Videotext, aber es gab keinen Hinweis auf
einen verschwundenen Streifenwagen oder tote Polizisten. Natürlich hatte die
Polizei in Elverum einen schlimmen Verdacht und war längst auf der Suche, aber
so etwas posaunte man nicht heraus, bevor man sich nicht ganz sicher war, dass
es sich nicht um ein banales Missverständnis handelte. Früher oder später
würden sie das Auto aber finden. Wie viel Zeit würde vergehen, bis sie
erkannten, dass die Leiche ohne Fingerkuppen in dem grünen Jogginganzug doch
nicht der verhaftete Ove Kjikerud war? Ein Tag mindestens. Höchstens zwei.
Aber
das waren alles Dinge, von denen ich eigentlich keine Ahnung hatte. Der neue
Roger Brown wusste über die Arbeitsmethoden der Polizei nicht mehr als sein
Vorgänger, begriff aber, dass die Situation trotz unsicherer Datenbasis konkrete
Entschlüsse erforderte. Er musste ein gewisses Risiko eingehen und handeln,
bevor es zu spät war, er musste genug Angst zulassen, um voll konzentriert zu
sein, aber nicht so viel, dass sie ihn lähmte.
Deshalb
schloss ich die Augen und schlief.
Als
ich wieder aufwachte, zeigte die Uhr am Rand des Videotextes 20.03 Uhr. Und darunter eine Zeile, die verkündete, dass
mindestens vier Personen, darunter drei Polizisten, bei einem Verkehrsunfall
unweit von Elverum ums Leben gekommen waren. Das Wrack des bereits am Vormittag
vermisst gemeldeten Polizeiwagens war am Nachmittag in einem Wäldchen am
Fluss Trekkelva gefunden worden. Eine fünfte Person, ebenfalls ein Polizist,
werde noch vermisst. Die Polizei nahm an, dass er aus dem Wagen in den Fluss geschleudert
worden war, auf den die Suche sich jetzt konzentrierte. Die Polizei bat die
Öffentlichkeit um Hinweise auf den Fahrer eines gestohlenen Lastzuges mit der
Aufschrift »Sigdal-Küchen«, der zwanzig Kilometer von der Unfallstelle entfernt
auf einem Waldweg gefunden worden war.
Fanden
sie heraus, dass der Verhaftete Kjikerud verschwunden war, würden sie früher
oder später hier auftauchen. Ich musste mir eine andere Bleibe für die Nacht
suchen.
Ich
holte tief Luft. Dann beugte ich mich über Oves Leiche, nahm das Telefon vom
Nachtschränkchen und wählte die einzige Telefonnummer, die ich auswendig
kannte.
Sie
nahm den Hörer nach dem dritten Klingeln ab.
Statt
des üblichen schüchternen, aber warmen »Hallo?« antwortete Lotte mit einem kaum
hörbaren »Ja?«.
Ich
legte sofort wieder auf. Ich wollte ja nur wissen, ob sie zu Hause war.
Vermutlich würde sie auch den Rest des Abends dort sein.
Ich
schaltete den Fernseher aus und stand auf.
Nach
einer zweiminütigen Suche hatte ich zwei Pistolen gefunden: eine im
Badezimmerschrank und eine eingeklemmt hinter dem Fernseher. Ich nahm die
kleine schwarze, die hinter dem Fernseher gesteckt hatte, holte zwei Schachteln
aus der Küchenschublade, eine mit scharfer Munition und eine, die mit »blanks«
beschriftet war. Dann füllte ich das Magazin mit scharfen Patronen, lud durch
und sicherte die Pistole. Anschließend steckte ich die Waffe so unter meinen
Hosenbund, wie ich es bei Clas Greve gesehen hatte. Ich ging ins Bad und legte
die andere Pistole wieder zurück. Nachdem ich die Schranktür geschlossen hatte,
blieb ich noch kurz vor dem Spiegel stehen und betrachtete mich. Die hübsche
Form und die markanten Linien meines Gesichts, die brutale Nacktheit des
Schädels, die fast fieberhafte Intensität des Blickes und der Mund, entspannt
und entschlossen, still und doch sprechend.
Egal,
wo ich morgen früh aufwachte, ich würde einen Mord auf dem Gewissen haben.
Einen vorsätzlichen Mord.
Kapitel 19
Vorsätzlicher Mord
Du
gehst über die Straße, in der du wohnst. Stehst im Dunkel
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