Heart beats sex
die Besatzung ziemlich lange leben können.«
»Dann bräuchte sich Muerte ja nicht zu kostümieren, der lebt doch sowieso ewig«, sagt Liam und wiehert vor Lachen.
»Weißt du denn, als was er heute hier ist?«
»Irgend’n Typ aus dem 19. Jahrhundert. Vielleicht der Killer aus Das Parfum?«
»Nein, er ist Sweeney Todd aus Der teuflische Barbier aus der Fleet Street. Erinnerst du dich, wir haben den Film mit Johnny Depp zusammen gesehen.«
»Oh Gott, diese kranke Geschichte.«
»Du hast die ganze Zeit gelacht.«
»Weil ich total stoned war.«
Ich höre nicht mehr zu, sondern beobachte Ulya, wie sie mit Hal diskutiert, was mit mir passieren soll und wen er noch anrufen kann. Ich weiß das, weil sie zwischendurch immer zu mir kommt und mich beruhigen will, obwohl ich ganz ruhig
daliege. Hal steht an der Bar und macht sich immer wieder Notizen, wahrscheinlich schreibt er die Telefonnummern von Ärzten auf. Ulya kommt und sagt den umstehenden Leuten, sie sollen mich in Ruhe lassen, ich hätte nur einen Kreislaufkollaps, und Magda schlägt vor, sie sollten mich zurück ins Schlafzimmer bringen, da hätte ich doch mehr Ruhe, dabei beugt sie sich über mich, so dass sie mit ihrem Busen meine Nase streift. Sie nimmt ein Glas vom Beistelltisch und gießt mir irgendeine Flüssigkeit über die Lippen, was ich allerdings nicht fühlen, sondern nur sehen kann. Die drei Buntkleider sind als Charlie’s Angels gekommen, und Magda ist Drew Barrymore, obgleich sie vom Busen her und auch allem anderen eher als Marilyn Monroe oder so was hätte gehen sollen. Claire hat sich sogar eine schwarze Perücke besorgt und die Augen schräg geschminkt und macht ganz auf in Schwarz gekleidete arrogante Asiatin. Tara steht die Verpackung am besten, jedenfalls passt Cameron Diaz viel besser zu ihr als die bunten Kleider. Wenn man so groß ist, sollte man unbedingt lange Hosen tragen.
Am meisten Spaß macht es mir, Ulya zu beobachten, wie sie zwischen Hal und mir hin und her saust. Wie sie immer wieder meinen Puls fühlt, ihre Hand auf meine Stirn legt und dann wieder zu Hal rennt, um zu erfahren, was er erreicht hat und ihn anzutreiben, es noch einmal woanders zu versuchen. Dabei redet sie ständig vor sich hin. Dadurch kriege ich mit, wenn sie in meiner Nähe ist, wie sie sich sorgt, so dass sie eine wirkliche Verbindung zwischen Hal und mir herstellt. Jetzt gefällt es mir, dass sie das gleiche Kostüm wie ich trägt, denn auf diese Weise kann ich mir gut vorstellen, wie ich es bin, die mit ihm redet, ihm Tipps gibt, ihn antreibt, aber ihm auch die Sorge nimmt, es könnte irgendetwas Schlimmes passieren oder passiert sein.
Es ist wie ein leichtes Segeln durch die Luft, weil ich die Sorgen gar nicht selbst habe, sondern nur die Fürsorge. Auch Mühen habe ich keine und werde dennoch geliebt. Ich bin es gar nicht, Ulya ist es. Ich habe nur den schönen Film. Abgesehen davon, dass ich unser Kostüm sowieso ganz süß finde, verleiht es uns was von Effis Wesen – von ihrer Klarheit und Reinheit, ihrer Bildung, ihrem Charme und ihrer Schüchternheit, mit der sie sogar ihren eigenen Sexfantasien begegnet, ohne dass ich Effies Leben leben muss. Sie lebte in einer Zeit, in der es noch eine wirkliche Spannung gab zwischen äußerer Form und inneren Zuständen wie Gefühlen, Begierden und Ängsten. Während ich hier starr wie ein Boot vor Anker liege, bewegt sich Ulya leicht, gelenk und fast tänzerisch. Sicher wäre ich ohne ihre Präsenz schon längst in Panik geraten. Vielleicht wäre ich sogar davon überzeugt, gelähmt zu bleiben.
»Kann sie nicht sprechen?« Es ist Tara, die Ulya jetzt die Frage stellt. Tara, die mich verhöhnte, als meine Sammelbüchse, mit der ich um die Almosen der Liebe bat, leer war. Als weder Mami noch meine Berliner Lehrer noch Papi oder Anna etwas hineintun wollten und meine letzte Zuflucht die Schule war. Hatte ich nicht sogar Annas scheußliches Kleid angezogen, um den Buntkleidern zu sagen: Please love me, please love me? Und hatte ich nicht nur ätzenden Spott geerntet?
»Nein. Mona hat bis jetzt nichts gesagt und sich nicht bewegt. Hal hat den Arzt schon gerufen.«
Tara lächelt kalt. »Vielleicht war sie schon immer ein bisschen weggetreten.«
Ich fühle nichts, wie schön! Mir fällt eine als Kind missbrauchte Freundin ein, die mir erzählte, wie sie auf Abruf aus ihrem Körper austreten und sich dann wie eine Fremde beobachten konnte.
Die Buntkleider alias Charlie’s Angels ziehen am Pool
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