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Heart beats sex

Heart beats sex

Titel: Heart beats sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Driest
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abends abhauen kann. Aber was soll’s, die anderen sitzen im Büro, bis ihnen die Augen zufallen oder die Telefonate aus den Ohren wachsen, und abends vorm Fernseher.«
    Er lachte. Wie weiß seine Zähne sind!
    Es gefiel mir, dass er den gleichen Humor hatte wie ich, und ich testete es gleich noch mit: »Man soll sich nicht beschweren. Es könnte sein, dass Gott einen erhört.«
    »Und dann kann man sich nicht mehr beschweren«, sagte er schmunzelnd.
    »Genau. That’s the point.« Er war gut. Ich war zufrieden. Wir schauten eine Weile aufs Meer.
    »Und? Wie läuft’s in der Schule?«
    »Gut.«
    Wieder schwiegen wir.
    Dann ich: »Und? Wie läuft’s in der Szene?«
    »Okay. Cool.«

    »Ah. Schön.«
    »Soll ich dir was vorspielen?«
    »Oh super. Das wäre super.«
    Wir gingen hinunter in das Untergeschoss, wo sein Studio war. Kühl blies mir die Airconditioning entgegen, und all die kleinen Lichter blinkten. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er im Haus keine Musik laufen hatte.
    Hinter der Studio-Bar hing ein großes gerahmtes Foto. Es zeigte eine Hand, die an den Knöpfen eines Mischpults dreht.
    »Geiles Foto.«
    »Es ist die Hand von Richie Hawtin.«
    Er drückte ein paar Knöpfe und über den Surround Sound kam ein Akkordeon. (» Ulya, you don’t believe it but it was just this one and lonely akkordeon!« )
    Im Kontrast zu den imaginären Fingern Richie Hawtins auf den Tasten bewegten sich Hals Finger nun in Zeitlupe über meinen Hals, meine Arme, meinen Rücken, und mit jeder Berührung war es, als fließe mehr und mehr Vertrauen unter meine Haut, bis ich schließlich seine Haut von meiner nicht mehr unterscheiden konnte, seine Wärme nicht von meiner und seine Lust auch meine war.
    Danach schwammen wir im Pool (ich wäre lieber ins Meer gegangen), er warf mir einen weißen Bademantel zu, der zusammengelegt auf einem Stuhl lag, und wir ließen uns lachend in eine der breiten Hollywoodschaukeln fallen, die eigentlich eher wie ein Sofa sind. Wir rauchten. Ich sah den bläulichen kleinen Wolken nach und fühlte mich so wohl und so entspannt, dass ich mir wünschte, es möge immer so bleiben. Hieß das auch, ich möge immer bleiben? Diesen Gedanken blies ich weg.
    Hal spielte mir dann rumänische Musik vor, weil er mir den unterschiedlichen Klang der Panflöten vorführen wollte. Musik
aus seiner Kindheit. Er sagte, ich bringe ihn dazu, an seine Kindheit zu denken.
    »Erinnere ich dich an Rumänien?«
    »Nein, du erinnerst mich nicht an Rumänien. Du erinnerst mich auch nicht an meine Kindheit. Aber du bringst mich dazu, an sie zu denken. Keine Ahnung warum. Es ist so.«
    »Ist das schlecht?«
    »Nein.« Er überlegte. »Es ist schön. Ich habe das sonst nicht.«
    »Denkst du nie zurück?«
    »Nein.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt, wo du da bist …«, er lächelte, »rieche ich das Land, und ich höre die Lieder meiner Großmutter.« Er schwieg.
    »Erzähl mir davon.«
    »Nein. Was bringt’s? Es ist vorbei.«
    »Ich höre es gerne.«
    »Was?«
    »Erzähl von deinen Großeltern.«
    »Okay.« Er streckte die Beine aus und lehnte sich zurück. »Einmal nahm mich mein Großvater mit in die Stadt, wo wir in einer Bodega auf meine Eltern warteten. Es war der Geburtstag Ceausescus – an der Wand hing ein großes Bild von ihm. Mein Großvater nahm seine Hand vom roten Tischtuch und zeigte dorthin. ›Das ist das Genie der Karpaten‹, sagte er. Er war ein Deutscher und sein Bruder war bis 1944 bei der Waffen-SS gewesen. Er hasste Ceaucescu. ›Das ist seine Ernte‹, sagte er und zeigte auf einen Blumenkübel, in dem alles Grüne verdorrt war. Vielleicht weil darin nur Zigaretten ausgedrückt wurden. Dann spielten sie wieder Märsche, und die Betrunkenen torkelten herum und schrien sich an, bis sie aufeinander einschlugen. Die Bemerkungen mit der Ernte in dem
Blumenkübel hatte der Kellner gehört, und mein Großvater wurde wenig später verhaftet. Danach hat meine Großmutter immer gesungen: Wenn die Soldaten aus der Stadt marschieren, öffnen die Mädchen die Fenster und die Türen, ei warum, ei darum, ei bloß wegen dem Schingderassa, Bumderassa, Schingdara. Und dann sagte sie immer, morgen gibt es Gurken und Zwiebeln zu essen.«
    Mir gefiel seine warme weiche Stimme, und mir gefiel, was er erzählte. Schade, dass er jetzt aufhörte.
    Wir saßen noch eine Weile, und dann erhob er sich, lächelte entschuldigend und sagte: »Ich muss noch ins Studio.«
    Er lud mich nicht ein mitzukommen, also blieb ich sitzen und dachte,

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