Heartless 03 - Lockruf des Herzens
Übrigen immer noch nicht, warum er ihr überhaupt half. Auch er schien es nicht zu wissen, und sie brauchte seine Hilfe so notwendig, dass sie Angst hatte, ihn zu einer Antwort zu drängen.
Jillian seufzte müde angesichts der Situation, in der sie sich befand, und stieg die Treppe hoch. Wie der Graf versprochen hatte, wartete Maude Flynn neben dem Bett, als sie in ihr Zimmer trat.
»Guten Abend, Mistress Winslow.«
Mistress Winslow. Einen Moment lang hatte sie vergessen, in welcher Rolle sie hier auftrat. »Guten Abend, Maude.« Die kleine, stämmige Frau mit den schwarzen Haaren und der hellen Haut war, ihrem Akzent nach zu schließen, Irin. Eine breithüftige Frau in den Dreißigern. Während sie Jillian beim Entkleiden half, plauderte sie ununterbrochen über alle möglichen Themen, angefangen beim Anstieg der Brotpreise bis hin zur Seeblockade. Sie erzählte von ihrer Cousine, die vor kurzem in einer Baumwollfabrik eingestellt worden war, und begann schließlich, über den Grafen zu plappern.
»Das ist wirklich ein feiner Mann, der Major. Mein verstorbener Mann, Tommy, war in seinem Regiment, müssen Sie wissen. Ich war eine von den Glücklichen, die mit ihren Männern mitgehen durften - das taten nur ein paar von uns.«
Sie schüttelte den Kopf, wodurch eine schwarze Locke hin und her schwang, die ihrer Haube entkommen war. »Ich war nur zwei Jahre da. Eine Kanone ging nach hinten los und tötete meinen armen, lieben Tommy.«
»Das tut mir Leid«, meinte Jillian.
»Major Hawthorne kam höchstpersönlich zu meinem Zelt, um mich darüber zu informieren. Das ist schon mehrere Jahre her, wissen Sie, und nachdem ich nach England zurückgekehrt war, habe ich nicht mehr viel von ihm gehört. Vor sechs Monaten starb dann meine Mutter, und ich kam auf der Suche nach Arbeit nach London. Der Major - seine Lordschaft - gab mir Arbeit, was niemand sonst getan hätte.«
Fasziniert setzte sich Jillian auf den gepolsterten Hocker vor dem Schminktisch und hörte gebannt zu, während Maude die Nadeln aus ihrem Haar zog.
»Natürlich wissen Sie längst, was für eine Art Mann er ist. Schließlich sind Sie seine Cousine.«
»Eigentlich sind wir eher recht entfernt miteinander verwandt.« Das Lügen fiel ihr nicht leicht, aber da sie gezwungen war, ihre Rolle zu spielen, könnte sie ja auch etwas Nützliches in Erfahrung bringen. »Im Grunde weiß ich wirklich nicht viel über ihn.« Jetzt hatte sie die Gelegenheit, das zu ändern.
»Nun, eins ist sicher: Was man auch über ihn erzählen mag - sicher, wie das Amen in der Kirche, dass kein Wort davon wahr ist.«
Jillian rutschte unruhig auf dem Hocker herum, während Maude mit der Bürste durch ihr Haar fuhr. Sie war entschlossen, so viel wie möglich herauszufinden. »Das freut mich zu hören, Maude. Mir sind die Gerüchte natürlich zu Ohren gekommen.« Noch eine glatte Lüge. »Ich war mir nicht sicher, ob man ihnen Glauben schenken sollte.«
»An ihnen ist nicht mehr dran, als ihr Name schon sagt - es sind Gerüchte, mehr nicht. Die Damen strömen in Scharen ins Bett des Majors. Das ist schon immer so gewesen. Er ist kaum der Mann, der Gewalt anwenden muss. Die Frau des Oberst, dieses kleine Miststück, verführte ihn. Jawohl. Ich habe sie selbst in seiner Unterkunft verschwinden sehen. Als ihr Ehemann es herausfand, beschuldigte sie den Major und behauptete, er hätte sie gegen ihren Willen genommen. Ich begreife überhaupt nicht, wie der Dummkopf das glauben konnte, so wie sie die ganze Zeit hinter dem Major hergejagt ist.«
Als Maude sie schließlich allein ließ, hatte Jillian mehr Fragen als Antworten in Bezug auf den Grafen. Ihre Neugier war gewachsen, statt gestillt zu werden. Während sie in ihrem Bett im Zimmer neben seinem lag, stellte sie fest, dass sie lauschte, wann er wohl zurückkäme. Wieder fragte sie sich, wo er wohl war und ob er vor morgen früh zurückkommen würde.
Die Uhr schlug Mitternacht. Sie hörte den Glockenschlag, der ein Uhr verkündete, bevor sie seine Schritte auf der Treppe vernahm. Sie entspannte sich ein wenig, als er seinen Raum betrat, doch dann kam ihr ein neuer Gedanke, und sie war plötzlich wieder hellwach.
Aber die Verbindungstür zwischen ihren Räumen wurde nicht geöffnet, und irgendwann beruhigte sich ihr Herzschlag wieder. Vielleicht könnte sie jetzt endlich einschlafen.
5
Eine weitere Stunde verging. Jillian boxte in ihre Federkissen, aber der Schlaf wollte immer noch nicht kommen. Zu viele Gedanken
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