Heaven (German Edition)
vor seiner Nase abspielte, würde er sich bestimmt nicht so leicht verzeihen.
Xavier sah meinen Bruder genervt an. «Ich bin das alles so leid», sagte er schließlich.
«Da bist du nicht der Einzige», antwortete Gabriel. «Aber auch wenn du diese Tatsache noch so gerne ignorierst: Bethany ist nicht von dieser Welt.»
«Das ignoriere ich doch gar nicht.» Irgendetwas an seinem Tonfall störte mich. Bereute er seine Entscheidung bereits?
«Wenn ihr bei Sinnen gewesen und zuerst zu uns gekommen wärt, hätten wir vielleicht einen anderen Weg gefunden», sann mein Bruder nach.
«Wir sind keine kleinen Kinder mehr», sagte Xavier mit Nachdruck. «Wir können unsere eigenen Entscheidungen treffen.»
«Leider keine besonders guten», antwortete Gabriel. «Wie wäre es beim nächsten Mal mit etwas Nachdenken?»
«Haltet euch doch einfach aus unserem Leben raus!»
«Das würden wir nur zu gern, aber leider sind eure Entscheidungen nicht nur für euch folgenreich.»
«Jetzt ist aber gut!», rief Ivy aus. «Wir stehen doch alle auf derselben Seite! Mit dem Finger auf andere zu zeigen bringt gar nichts. Konzentriert euch lieber auf die Frage, was wir jetzt tun sollen.»
«Du hast recht. Bitte entschuldige», sagte Xavier und sah Gabriel nach einer kurzen Denkpause an. «Für mich ist die zentrale Frage: Könntet ihr es mit einem dieser Reiter aufnehmen, wenn es sein müsste?»
Die Sieben Reiter, so erinnerte ich mich, sahen sich selbst als eine Art Elitetruppe an, die ihre Netzwerke spielen ließen und Informationen austauschten, bis sie ihre Beute erwischt hatten. Wir konnten ihnen nicht für alle Zeiten entkommen, irgendwann würden sie uns erwischen. Ich hoffte daher, dass Gabriel bereits an einem Langzeitplan arbeitete.
«In einem Kampf Mann gegen Mann würde ich sie besiegen», antwortete Gabriel. «Aber vermutlich werden die Reiter nicht alleine auftauchen. Und sie sind ausgebildete Soldaten.»
«Großartig.»
«Was wird geschehen, wenn sie uns finden?», fragte ich.
«Das ist eine gute Frage», antwortete Ivy. Ich konnte ihr am Gesicht ablesen, dass sie darauf keine Antwort hatte.
«Aber wir sollen hier herumsitzen und auf sie warten?», fragte ich.
«Lange könnt ihr sowieso nicht hierbleiben. Wir schinden nur Zeit, bis wir entschieden haben, wie es weitergeht», sagte Gabriel. «Bis dahin könnt ihr nichts tun, außer wachsam zu sein.»
Ich sah förmlich, wie Xavier sich im Geiste die wildesten Szenarien ausmalte.
«Könnt ihr uns wenigstens sagen, wie diese Reiter aussehen?», fragte er. «Erkennt man sie auf den ersten Blick?»
«Früher, vor langer Zeit, trugen sie lange Gewänder mit goldenen Gürteln», erklärte Ivy.
«Klingt ziemlich dämlich», murmelte Xavier.
Meine Schwester seufzte ungeduldig. «Sie haben sich den Zeiten angepasst. Heutzutage sind sie Männer in schwarzen Anzügen.»
«Und wir können uns wirklich nicht vorbereiten?», drängte Xavier.
«Es gibt Zeichen, die sie ankündigen», sagte Ivy ernst. «Achtet auf den blutroten Mond und auf weiße Geisterpferde. Wenn ihr eins seht, ist einer der Reiter in der Nähe.»
«Ein blutroter Mond oder ein weißes Pferd?», fragte Xavier zweifelnd. «Ist das euer Ernst?»
«Zweifelst du an ihrer Existenz?» Gabriel klang beinahe beleidigt.
«Ich will nicht respektlos klingen, Gabriel, aber du glaubst doch nicht wirklich, dass ich irgend so einen Typen im Schlabbergewand auf einem weißen Pferd in Bethanys Nähe lasse?»
Ein verzweifeltes Stöhnen entschlüpfte Gabriels Lippen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Ivys erhobene Hand hieß uns allesamt schweigen. Dann sah sie Xavier ernst an.
«Dein Mut ist bewundernswert», sagte sie. «Aber bitte versprich uns etwas. Wenn du einen der Reiter siehst, versuche nicht, gegen ihn zu kämpfen. Sondern bring Beth weg von hier, so weit wie möglich.»
«Gut», sagte Xavier und erwiderte ihren Blick. «Ich verspreche es.»
Gleich darauf verabschiedeten sich Ivy und Gabriel, um weiter Nachforschungen anzustellen und Informationen zu sammeln, die uns weiterhelfen würden. Wohin sie aber gingen oder was sie genau vorhatten, erfuhren wir nicht. Wir waren wie Kinder, die Anweisungen befolgten, ansonsten aber im Unklaren gelassen wurden. Ich wusste, dass das zu unserem Schutz geschah, aber trotzdem schmerzte es.
In dieser Nacht gingen Xavier und ich mit ungutem Gefühl nach oben. Dort setzten wir uns nebeneinander auf das Bett und blickten aus dem Fenster über die schwankenden
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