Heaven (German Edition)
schäumen, wenn er es herausfindet.»
«Vielleicht täte ihm das mal ganz gut», murmelte ich. Xaviers Gesicht hellte sich auf.
«Auch wenn das stimmt, denke ich nicht, dass wir das Schicksal herausfordern sollten. Keine Sorge, uns fällt schon irgendetwas ein, was wir tun können.»
«Zum Beispiel?»
«Sieh dich doch einfach mal um, während ich das Frühstück fertig mache.»
Plötzlich wurde mir bewusst, wie zickig ich mich aufführte. «Also gut.»
«So gefällst du mir.»
Wie viel besser es Xavier doch schaffte, optimistisch zu bleiben! Ich hingegen hätte am liebsten die ganze Zeit gejammert, weil wir hier eingesperrt und aus unserem «normalen» Leben gerissen waren. Obwohl mein Leben ohnehin nur geborgt war und ich keinen Grund hatte, mich zu beklagen, machte mich diese Isolation kribbelig. Seitdem ich auf der Erde war, war ich ständig von Menschen umgeben gewesen. Sie liefen über den Marktplatz, führten ihre Hunde Gassi, schleckten Eis am Strand oder winkten sich über die Straße zu, während sie Rasen mähten. Dass jetzt überhaupt niemand mehr zu sehen war, verschaffte mir Unbehagen. Ich sehnte mich nach dem Hintergrundgeräusch menschlicher Stimmen oder danach, Leute auch nur in der Ferne zu sehen, selbst wenn ich nicht mit ihnen sprechen konnte. Aber Gabriels Anweisungen waren eindeutig gewesen: Lass dich nicht blicken.
Ich fand es schrecklich, dass Xavier und ich nach alldem, was wir durchgemacht hatten, noch immer kein normales Paar sein durften. Und das war schließlich alles, was wir wollten. Zumindest aber waren wir zusammen, so kompliziert die Dinge auch sein mochten. Als Gabriel und Ivy uns in der Kirche entdeckt hatten, war ich mir so gut wie sicher gewesen, dass sie uns auseinanderreißen würden. Widerstand wäre zwecklos gewesen, und ich war mehr als erleichtert, dass es nicht dazu gekommen war. Vielleicht hatten sie erkannt, dass keiner von uns es ertragen hätte, allein zu sein.
Ich beschloss, Xaviers Rat zu befolgen und nach etwas zu suchen, mit dem wir uns die Zeit vertreiben konnten. Schließlich mussten wir irgendwie versuchen, eine gewisse Normalität herzustellen. Ich blätterte die Zeitschriftenstapel auf dem Kaminsims durch, doch sie waren völlig veraltet und hatten zudem Innendekoration zum Thema. Dann aber fiel mein Blick auf die alte Truhe, die als Wohnzimmertisch diente. Bisher waren wir noch nicht auf die Idee gekommen, sie zu öffnen, aber als ich jetzt den Deckel hob, fand ich unter einem Stapel vergilbter Zeitungen einige DVDs. Es waren hauptsächlich Disney-Filme, offensichtlich hatte die Familie, der die Hütte gehörte, kleine Kinder. Ich stellte mir vor, wie sie hier saßen, heiße Schokolade tranken und ihren Lieblingsfilm anschauten.
«Xavier, ich habe etwas gefunden», rief ich. Er blickte um die Ecke und kam dann rüber, um meinen Fund zu begutachten.
«Nicht schlecht.»
«Ich weiß! Wer würde sich denn langweilen bei einem Film über …» Ich drehte die DVD erwartungsvoll um. «Fische!»
«Läster nicht über Findet Nemo !», neckte mich Xavier und nahm mir die DVD ab. «Das ist ein moderner Klassiker.»
«Und es geht wirklich um Fische?»
«Ja, aber es sind coole Fische.»
«Und was ist mit dem?» Ich zog die abgewetzte Schachtel von Die Schöne und das Biest aus der Truhe. «Das klingt doch romantisch.»
Xavier rümpfte die Nase. «Nein, lieber nicht.»
«Warum nicht?»
«Weil ich für immer erledigt bin, wenn das jemand herausfindet.»
«Ich werde es keinem erzählen», bettelte ich, bis Xavier ergeben den Kopf schüttelte.
«Was tue ich nicht alles für dich», sagte er und seufzte übertrieben.
Nach dem Frühstück mussten wir zunächst ein fehlendes Kabel suchen, brachten dann aber tatsächlich den DVD-Player in Gang. Ich redete ständig in den Film hinein, weil ich so viele Fragen hatte. Xavier aber beantwortete sie alle geduldig.
«Was glaubst du, wie alt soll Belle sein?»
«Keine Ahnung, vielleicht ungefähr so alt wie wir?»
«Das Biest ist süß, oder?»
«Muss ich darauf antworten?»
«Warum kann das Geschirr sprechen?»
«Weil die Teller und Tassen in Wirklichkeit die Diener des Prinzen sind. Die Bettlerin hat sie verzaubert.» Xavier stutzte und sah mich plötzlich peinlich berührt an. «Ich kann nicht glauben, dass ich das weiß.»
Obwohl mich die Magie der Geschichte in ihren Bann zog und ich das Lied «Sei hier Gast» in einer Art Endlosschleife im Kopf abspielte, war ich sofort nach Filmende wieder
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