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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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musterte David, als wolle er sich sicher sein, dass dieser ihm auch noch zuhörte. »Ich erfuhr, dass ein gewisser Jonathan Mirrlees eine Frau namens River geheiratet hatte. Niemand wusste, wo sie herkam. Sie war ein Rätsel und dazu schön und dunkel, wie eine Fee aus allertiefster Nacht. Alles passte: River war gestorben, in der besagten Nacht. Nur eins stimmte nicht: Ihr Kind, ein Mädchen, wies nur normale Untersuchungsergebnisse auf. Sie besaß ein gewöhnliches Herz, das war alles. Nur das und nicht das Herz eines Himmels.«
    »Woher wussten Sie das? Wie kann man so etwas untersuchen?«
    »Das Herz eines Himmels ist kalt, weil die Welt, in der ein Himmel lebt, ebenfalls kalt ist.«
    »Und das andere Herz?«
    »War ein menschliches Herz«, erklärte er, »voller Wärme und all den Dingen, die in menschlichen Herzen leben.«
    »Sie haben sie trotzdem beobachtet.«
    Juno Sims nickte. »Ich wollte auf Nummer sicher gehen. Ich gewann schnell Jonathans Vertrauen. Es war ein Jahr nach Rivers Tod und Menschen, die einsam sind, sehnen sich danach, jemandem vertrauen zu können.«
    »Sie sind in die Firma eingestiegen.«
    Er lachte. »Ja, natürlich.«
    David verstand plötzlich, was geschehen war. Heaven hatte von Untersuchungen gesprochen, von einem angeblichen Herzfehler als Kind. Das musste in Wirklichkeit Mr Sims veranlasst haben. Wahrscheinlich hatte er die Ärzte bestochen, damit sie behaupteten, die Untersuchungen wären notwendig.
    Mr Sims blickte aus dem Fenster. »Die Zeit verging. Je schneller die Jahre verstrichen, umso mehr war ich davon überzeugt, dass River Mirrlees doch keine Fee gewesen ist. Ihre Tochter war ein ganz gewöhnliches Mädchen.«
    »Wie haben Sie es erfahren?«
    »Dass das Herz eines Himmels in Freema schlägt?«
    »Ja.«
    »Ich habe es gar nicht erfahren.« Er schien den Gedanken sehr amüsant zu finden. »Es war ein Zufall, dass ich es vor zwei Tagen herausgefunden habe. Mr Drood besorgt mir seit meiner Ankunft in London immer wieder neue Herzen. Er weiß nicht, wozu ich sie benötige. Er weiß nicht, wer ich wirklich bin. Mr Drood ist jemand, der keine Fragen stellt. Er lebt schon sehr lange in dieser Stadt, und wenn man einesin London lernt, dann, dass man keine Fragen stellt, wenn man für gewisse Arbeiten viel Geld erhält.«
    David überlief eine Gänsehaut, als er daran dachte, dass Heaven in der Gewalt des Mannes mit den schwarzen Handschuhen war. Es raubte ihm all seine Kraft, zehrte an ihm, ließ ihm alles vor den Augen verschwimmen. Aber ein Gedanke bahnte sich seinen Weg durch das Dickicht aus Furcht und Sorge. Er drehte sich zum Fenster und starrte in den Himmel, dorthin, wo die Leere glänzte, und atmete erleichtert auf. Denn wenn es stimmte, was Mr Sims sagte, dann war Heaven am Leben. Das Herz ihrer Mutter schlug noch immer in ihrer Brust.
    Mr Sims hatte nicht weiter auf ihn geachtet. »Alle drei bis fünf Jahre«, fuhr er mit seiner Geschichte fort, »ging Mr Drood für mich auf die Jagd. Mithilfe eines Toten suchte er nach gesunden Herzen. Leichen sind die besten Fährtenleser, was diese Dinge angeht«, erklärte er. »Sie bringen einem nur frische Ware.« Er wirkte nachdenklich. »Doch dann . . .« Er machte eine Pause, sah zur Rechten den schäbigen London-Bridge-Bahnhof wie ein Gespenst aus dem Schneegestöber auftauchen. »Dann passierte das eigentlich Undenkbare.« Die hellblauen Augen funkelten. »Mr Droods Leichenmann findet ein neues Herz. Sie folgen dem Mädchen bis zum Phillimore Place und schneiden es ihm aus der Brust, wie sie es unzählige Male zuvor auch schon getan haben. Doch dann steht das Mädchen auf und flieht. Ohne Herz.«
    »Da wussten Sie, dass Sie Ihr Himmelsherz gefunden hatten.«
    »Nein.« Er zuckte die Achseln. »Ich wusste nur, dass ichirgendjemanden ausfindig gemacht hatte, der so anders war, dass er nur vom Firmament gefallen sein konnte. Aber ich hatte keine Ahnung, wer es war, denn das Mädchen war entkommen. Doch dann nannte Mr Drood sie bei dem Namen, den er in der Stadt aufgefangen hatte: Heaven.« Er nickte, bedeutungsschwanger. »Und dann wusste ich natürlich, wer es war. Jonathan hat seine Tochter immer so genannt.«
    Der Wagen bog in die High Borough Street ein und fuhr von dort aus weiter Richtung Southwark.
    »Ich schickte Mr Drood und den Leichenmann nach Richmond, doch Heaven wohnte dort nicht mehr. Offenbar hatte sie sich seit geraumer Zeit in eine Wohnung in der Stadt zurückgezogen, die niemand kannte. Ich machte einen

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