Heaven - Stadt der Feen
breiten Gebüsch halt, tauchte hinein und teilte es. Heaven schlüpfte hindurch und er folgte ihr durch die Hecke.
»Woher haben die nur gewusst, wo das Grab meiner Eltern ist?« Sie atmete schnell, aber gleichmäßig.
»Sie sind in Richmond gewesen. Sie kennen deine Adresse, alles Weitere kann man rauskriegen.«
»Aber woher wissen sie meinen Namen?«, sagte Heaven. »Wie, in aller Welt, sind sie nach Richmond gekommen?«
David holte rasselnd Luft. »Egal«, presste er hervor. »Später, okay?«
Sie nickte.
Unbeholfen brachen sie durch eine weitere Hecke und kamen an einem Platz heraus, der von Bäumen umgeben war. Mausoleen bewachten einen Platz, ihre Eingänge gähnten ihnen dunkel entgegen. »Die Egyptian Avenue«, entfuhr es Heaven.
Es war eine Welt der Gassen und Straßen, ein Dorf aus Gräbern und Grüften und palastähnlichen Ruhestätten. Sie liefen mitten hinein in eine Totenstadt.
»Was ist mit einer der Grüfte?« David sah sich hastig um. »Wir könnten uns darin verstecken.«
Heaven schüttelte den Kopf. Ihre dunklen Augen waren aufgerissen. »Was, wenn wir dort wieder einem Geist begegnen? Der vielleicht nicht so freundlich ist wie Sarah Jane?«
»Die Gräber hier sind uralt. Wenn das, was Sarah Jane uns vorhin gesagt hat, stimmt, dann gibt es hier keine Geister mehr, weil sich niemand mehr an sie erinnert.«
»Und wenn doch?«
»Dann können sie uns nichts tun. Wir leben noch.« Er zuckte die Achseln. »Na ja, vielleicht können sie uns erschrecken.«
Er dachte an das, was Sarah Jane mit dem Lumpenmann angestellt hatte, und schob den Gedanken energisch beiseite.
Heaven lauschte in die Dunkelheit. Die Luft war voller Geräusche, ein fremder Vogel rief, das Laub raschelte im Wind, doch noch deutete nichts darauf hin, dass ihre Verfolger näher kamen. Die Schneeflocken waren dichter geworden.Eine von ihnen legte sich auf Heavens Wimper, wo sie nicht schmolz, sondern wie eine Träne liegen blieb. »Wenn wir uns in einem Grab verstecken und entdeckt werden, dann haben wir keine Chance zu entkommen«, sagte sie. »Dann ist es eine Sackgasse. Eine Falle.«
»Müssen wir riskieren.« David hob den Kopf. »Er kommt.«
Jetzt hörten sie beide die Schritte, ein lautes Rascheln in den Büschen, irgendwo dort, wo sie hergekommen waren. Das Gefühl, sich so schnell wie möglich zu verkriechen, wurde übermächtig.
»Mist!«, fluchte David. »Wer ist dieser Kerl nur?«
Einen Augenblick standen sie regungslos in der Nacht. Es war David, der schließlich die Entscheidung traf. »Komm!« Er zog sie hinter sich her und lief hinüber zu einem Eisen-gitter, das nicht mehr richtig verschlossen war, weil das alte Vorhängeschloss, das die Eisenkette, die sich durch die schmalen Gitterstäbe zog, zusammenhielt, völlig durchgerostet war. Man musste nur die Riegel auseinanderbiegen, das war alles.
Leise schob David die Türflügel auseinander, sodass zuerst Heaven und schließlich er selbst hindurchschlüpfen konnten. Als sie drinnen waren, zog er die Türen hinter sich zu und verband die Ketten wieder mit dem Schloss.
»Wenn wir Glück haben, merkt er das nicht«, flüsterte er.
Heaven erwiderte nichts, sondern tastete nach Davids Hand.
So stiegen sie ins Grab hinab.
In dem Mausoleum, das bestimmt mehr als hundert Jahre alt war, roch es nach feuchter Erde und Laub. Die Luft warkalt und fühlte sich an, als sei sie seit ewigen Zeiten schon nicht mehr geatmet worden. Vorsichtig bahnten sie sich ihren Weg über schmale Stufen aus Stein, die verrottet und teilweise abgebrochen waren, sodass David und Heaven höllisch achtgeben mussten, nicht zu stolpern.
Am Ende des Ganges, den sie nahmen, war ein schmales Loch in der Decke eingelassen, durch das das silbrige Licht des Mondes in die Ruhestätte hinabschwebte. Vereinzelte Schneeflocken taumelten zu Boden.
Die niedrigen Wände waren mit Figuren von ägyptischen Göttern bedeckt, kunstvolle Bilder und Hieroglyphen, die längst verblasst waren. Offenbar war in den alten Zeiten Königin Viktorias diese Art von Dekoration bei den Reichen und Wohlhabenden Londons angesagt gewesen.
David blieb einen Moment unter dem Loch stehen und sah nach oben in den Himmel. Sein Atem ging noch immer schwer, aber mittlerweile lag das nicht mehr an dem schnellen Lauf.
Er spürte die bekannte Beklemmung zum Leben erwachen. Die Wände, die auf ihn zukamen. Da war das Geräusch der Tür, die sich hinter ihm schloss, und das Knirschen des Schlüssels, der sich im Schloss
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