Heavy Cross
lassen müssen, bevor sie mit Kindern arbeiten dürfen â sie müssen Fingerabdrücke abgeben und weià der Himmel was â, und wenn man sich vorstellt, dass ein ausgebildetes Kindermädchen immer ein Empfehlungsschreiben und Zeugnisse vorweisen muss, dann wundert man sich, dass eine Frau einfach so jedes x-beliebige Blind Date bei sich einziehen lassen und, obwohl sie den Kerl noch keine zwei Wochen kennt, zum Stiefvater ihrer Kinder machen darf. Ãber meine Spaghetti hinweg warf ich Mom einen vorwurfsvollen und genervt-entsetzten Blick zu. Sie schaute zurück, sodass ich den Kopf senkte und meine Pasta anstarrte. Ich wusste, was mir Mom sagen wollte: Lass es stecken. Das war ihr Lieblingsspruch. Die Mutter, die so cool und verständnisvoll war, wenn mich meine Freundinnen besuchten und sich über ihre verkorksten Familien aufregten, verschwand spurlos, wenn sie sich mit ihren eigenen Kindern konfrontiert sah.
Sie kam damit nicht klar. Sie machte dicht und verlangte, dass wir dasselbe taten. Lass stecken. Im Kopf hörte ich ihre Stimme so deutlich, als hätte sie es ausgesprochen, aber Mom sagte gar nichts. Sie hielt uns Kinder mit bedeutsamen Blicken in Schach, stocherte in ihrem Essen herum und lächelte Mike zuckersüà und dankbar an.
Etwa zu der Zeit teilte mir meine Mutter mit, dass Homer Ditto gar nicht mein Vater sei. Nein. Mom hatte etwas mit einem anderen gehabt, und dieser Typ war mein Daddy. Irgendein Kerl, der nicht lange geblieben war, was meiner Mom anschlieÃend ganz gelegen kam. Sie hatte sich für Homer entschieden, und Homer wiederum für mich. Deshalb hatte er mir seinen Namen gegeben, obwohl sein Blut gar nicht in meinen Adern floss. Man könnte meinen, es sei eine groÃe Sache für mich gewesen, zu erfahren, dass ich ein uneheliches Kind war, aber bei so viel zusammengestückeltem Durcheinander und Familien, die willkürlich ineinander übergingen, wurde die Frage, wer wohin gehörte, in der Regel einfach aus dem Bauch heraus beantwortet. Homer kümmerte sich damals um mich. Und mein Dad war der Mann, der am nettesten zu mir war, also Homer Ditto.
Wahrscheinlich hätte mich Mom ewig in dem Glauben gelassen, dass Homer auch mein biologischer Erzeuger sei, wäre nicht mein tatsächlicher Vater aus heiterem Himmel aufgekreuzt, weil er plötzlich das Bedürfnis verspürte, seine Vaterrolle ernst zu nehmen. Er lebte in Rockford, Illinois, und als er meine Mom fragte, über welches Geschenk ich mich freuen würde, war ihr als Erstes »irgendwas von den Rockford Peaches« eingefallen. Und kurze Zeit später hielt ich einen Baseball mit den Unterschriften der Peaches in Händen.
Einer meiner absoluten Lieblingsfilme ist Eine Klasse für sich über die Rockford Peaches, die erste Frauenprofimannschaft im Baseball. Diese Mädchen fingen in den Vierzigern mit Baseball an, als die Männer nicht zu Hause, sondern im Krieg waren. Die Leute hielten das für einen schlechten Scherz. Aber die Peaches waren talentiert und wussten, dass beim Baseball nicht geheult wird.
Ich war glücklich, diesen Baseball zu besitzen, doch ich â ebenso wie der Rest meiner Familie â hatte kein Interesse daran, meinen leiblichen Vater wieder in mein Leben zu lassen.
Die Zeit, die Mom mit meinem Erzeuger verbrachte, war groÃartig und zugleich schrecklich gewesen. GroÃartig natürlich, weil ich geboren wurde. Schrecklich, weil der Mann, der Mom geschwängert hatte, brutal und fürchterlich war. Niemand verstand, weshalb Mom den gutmütigen Homer für ihn verlassen hatte. Seine Wut lieà er oft an meinen Brüdern aus, an Homers Kindern. Die permanenten Gemeinheiten und Gewalttätigkeiten, mit denen er sie als Kinder bedacht hatte, waren nicht vergessen. Bei mir zu Hause galt sein Name als Synonym für alles Verabscheuungswürdige â und jetzt war er wieder da, rief Mom an und machte mir das schönste Geschenk, das ich je bekommen hatte.
Ich fühlte mich nie dafür verantwortlich, wie er meine Brüder behandelte. Damals war ich gerade erst geboren worden und litt wahrscheinlich selbst unter erbärmlichen Zuständen, die ich zum Glück jedoch längst vergessen habe. Dennoch war der Mann, von dem alle wussten, dass er meinen Brüdern wehgetan hatte, ein Teil meines Lebens. Es war mein leiblicher Vater, der das getan hatte. Ich schämte mich und hatte Angst. Ich wollte nicht zur
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