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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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ausschaltete und auf den laufenden Fernseher starrte, während er mich mit seinen Händen packte, bis auf dem Bildschirm nur noch kaleidoskopartige Farben umeinanderwirbelten, und an das An- und Abschwellen des künstlichen Publikumsgelächters. Ich erinnere mich an einiges.
    Onkel Lee Roy war ein Widerling, der seine perverse Form von Sexualität um sich herum förmlich verströmte. Nicht immer dreht es sich bei sexuellem Missbrauch im Kern um den tatsächlichen Sexualakt – es kann ebenso um Macht gehen, um Erniedrigung, um bloße Gewohnheit –, aber ich bin tief überzeugt, dass sich für Lee Roy alles genau darauf konzentrierte. Jedes Mal, wenn wir allein waren, hatte er seine Hände überall an mir. In meiner Unterhose, unter meinem Shirt. Das war ganz normal. Onkel Lee Roy hatte sich, seit ich denken kann, auf diese Weise an mich herangemacht. Ich muss ungefähr vier Jahre alt gewesen sein, als es anfing.
    Dann wurde es schlimmer. Ich übernachtete bei ihm. Ich weiß nicht, warum alle glaubten, dass ich dort sicher sein würde, denn Onkel Lee Roy hatte bereits einen einschlägigen Ruf. Als ich ungefähr fünf Jahre alt war, wohnte mein Vater eine Weile bei ihm. Manchmal blieb ich über Nacht, weil mein Cousin ebenfalls dort wohnte. Doch auch die Tatsache, dass sich mein Vater und mein Cousin ebenfalls im Haus befanden, konnte Lee Roy von nichts abhalten. Einmal war ich im Wohnzimmer, und in der Küche nebenan saßen alle möglichen Verwandten. Es hätte nur jemand gucken müssen, dann wäre herausgekommen, was Lee Roy mit mir machte. Aber wahrscheinlich fiel es niemandem auf. Wenn ich bei meinem Dad war, schlief ich in seinem Bett ein, stand aber mitten in der Nacht auf, ging ins Bad oder suchte mir einen anderen Schlafplatz. Lee Roy war eine Nachteule.
    Ich wollte ihm nie einen Abschiedskuss geben. In meiner Familie küsst man sich zum Abschied auf den Mund. Ich konnte es einfach nicht. Wenn ich wieder zu Hause bei Mom war, hatte ich das Gefühl, in Flammen zu stehen. Mein ganzer Unterleib brannte wie Feuer. Ich weiß nicht mal, wie es passierte – wie ich von einem Zimmer ins andere gelangte, wie ich nach Hause kam. Ich erinnere mich nur, dass es brannte.
    Meine Mutter wusste, dass Onkel Lee Roy pervers war. Sie sprach ständig davon, dass er sie befummelt hatte, als sie noch jünger war. Onkel Lee Roy war ungefähr vierzehn Jahre älter als Mom, ein richtig alter Mann. Eines Nachmittags sprach Mom über ihn. Als sie über ihn herzog und darüber, dass alle wussten, was für ein schmieriger Kerl er sei, spürte ich ein Gefühl der Nähe zu meiner Mutter und vertraute ihr in unserem Wohnzimmer zum ersten Mal an, was passiert war. Während ich erzählte, wurde mir selbst erst richtig klar, was da eigentlich abgelaufen war. Mom erstarrte und ließ meine Worte kurz sacken. »Wehe deinem Vater, wenn er etwas davon wusste.« Dann rief sie ihn an.
    Aber es hörte nicht auf. Eine meiner Lehrerinnen wollte etwas dagegen unternehmen, aber der Schuss ging nach hinten los, und mir ging es danach noch schlechter. Einer Schulfreundin gegenüber rutschte mir heraus, dass ich missbraucht wurde. Ich war noch so jung, und obwohl ich wusste, dass es etwas Schlimmes war, was da mit mir passierte, hielt ich es gleichzeitig für völlig normal. Deshalb wusste ich oft nicht, worüber ich reden durfte und was ich verschweigen musste. Das Mädchen, dem ich unüberlegt davon erzählt hatte, sprach beim Essen mit ihrer Mutter darüber. Die wiederum rief die Lehrerin an, und die Lehrerin stellte mich kurz vor der Freistunde zur Rede. Ich wusste, ich würde Ärger bekommen. »Ich hab gehört, du hast es mit einem Mann getrieben«, sagte sie – eine mit der Sensibilität einer Dampfwalze formulierte Umschreibung dafür, dass mein Onkel mich vergewaltigt hatte. Ich war sprachlos. Ich leugnete es. Ich war wie erstarrt. Meine Lehrerin entließ mich in die Freistunde, und ich suchte mir einen Platz auf dem Schulhof abseits der anderen Kinder. Ich blieb einfach nur dort sitzen. Tagelang war ich furchtbar unruhig, weil ich wusste, dass alle anderen davon erfahren würden. Aber niemand half mir. Ich hatte nur das Gefühl, tierischen Ärger am Hals zu haben.
    Nachdem meine Lehrerin mich beiseitegenommen hatte, war ich zu Tode erschrocken. Ich hatte das Gefühl, erwischt worden zu sein. Sie sagte:

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