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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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anrührte und die Mischung stundenlang einwirken ließ, sodass meine Haarfarbe schön strahlte. Den Geruch von Noxzema liebe ich immer noch, diesen Eukalyptusduft, der einem in die Nase steigt.
    Von meinen rosa gefärbten Haaren und Converse-Turnschuhen ließen sich die anderen jedoch nicht sonderlich beeindrucken. Nach wie vor galt ich als alles andere als cool.
    Als die scheußlichen Beliebtheitswahlen in der Schule anstanden, rief ich mit meiner eigenen kleinen Graswurzelbewegung zur feindlichen Übernahme auf: Wer ist die Niedlichste, wer ist am lustigsten und am schlauesten? Ich überredete die gesamte Schule, für meine Freunde und Freundinnen – also die komischen Außenseiter – zu stimmen. Ich führte einen Wahlkampf zugunsten aller Trottel und Idioten, der Teenagermütter, der Schlampen und der Spinner, und es funktionierte. Wir gewannen in allen Kategorien. Auf der Schule war ich eine Außenseiterin, aber glücklicherweise bekam ich überhaupt nicht mit, ob die anderen mich leiden konnten. Wenn es einem wichtig ist, was die richtigen Leute – nämlich die eigenen Freunde – von einem halten, kann man machen, was man will. Und mir war echt scheißegal, was meine Klassenkameraden über mich dachten. Die Meinung derjenigen, die nicht meine Freunde waren, interessierte mich nicht die Bohne. Mit so einer Haltung wird man natürlich nicht zu jeder Party eingeladen, aber das ist es wert. Und auf einer Fete nicht erwünscht zu sein kann einem selbst Aufschluss darüber geben, wer man ist und welchen Wert man besitzt. Ich wurde nicht verprügelt, deshalb hatte ich ausreichend Spielraum für die unglaublichsten Dinge, ohne mich ernsthaft vor Konsequenzen fürchten zu müssen. Ich brachte die Leute zum Lachen. Ich war die Dicke, die den anderen zuvorkam, die überlebte, indem sie lustig war. Und die Lustigen werden immer von allen gemocht. Jeder lacht gern.
    Der krönende Abschluss meiner Nerd-Kampagne war, dass ich meine Klasse beim Herbstfestival vertreten durfte. Das Herbstfestival ist eigentlich nur ein kleiner Schönheitswettbewerb, aber in Judsonia ist es ein großes Ding, eine althergebrachte Tradition, eine Veranstaltung, mit der Geld für die Highschool gesammelt wird. Alle wollen beim Herbstfestival mitmachen.
    Alle, die für das Herbstfestival nominiert waren, wurden aufgerufen, alle ach so beliebten Mädchen – und Mary Beth Ditto. Ein Junge namens Trevarar machte ein Geräusch und drehte sich um: »Das hat uns gerade noch gefehlt, die abgedrehte Schnalle vertritt unsere Klasse!« Und in diesem Jahr vertrat tatsächlich eine abgedrehte Schnalle die Klasse. Ich wurde für das Herbstfestival gewählt, weil die Nerds mich mochten und weil es immer mehr Nerds gibt als normale Leute. Und ich war das einzige dicke Mädchen, die abgedrehte Schnalle, das punkige Riot Grrrl mit den lustigen bunten Haaren – da oben auf der Bühne neben den ganzen beliebten Mädchen, die das genaue Gegenteil von mir waren.
    Obwohl meine Freunde und ich nicht den Ton angaben, waren wir auf jeden Fall diejenigen, die den meisten Spaß hatten. Tanya war meine älteste und beste Freundin – Ȋlteste« im wörtlichen Sinn, denn sie hatte in der Schule ein paar Ehrenrunden gedreht. Tanya war cool, und sie bestellte sich ihre Klamotten bei Deli a ’s. Ich war unglaublich neidisch, denn sie hatte die süßesten T-Shirts und Babydoll-Kleider. Sie stellte sich ihren Look einfach aus dem Versandkatalog zusammen. Tanya liebte Sonic Youth so sehr, dass ich es jahrelang nicht über mich brachte, diese Band zu hören. Meinetwegen konnte sie Sonic Youth haben.
    Meine modische Entwicklung verlief so: Kurz bevor ich Punk entdeckte, wollte ich aussehen wie Janis Joplin, Patty Duke und Mama Cass in einem. Dass diese Frauen aus verschiedenen Genres und Kulturen kamen und dementsprechend vollkommen unterschiedlich aussahen und auftraten, spielte dabei keine Rolle. Für mich war das alles Sixties-Style, und das gefiel mir nun mal.
    Meinem Zugang zu Klamotten standen drei Hindernisse im Weg: Geld (hatte ich nicht), Konfektionsgröße (ich war fett) und Stil (in Arkansas unbekannt). Meine Rettung lag in einer einfachen Überlegung: Wenn ich etwas Cooles zum Anziehen haben wollte, musste ich es mir eben selbst schneidern. Meine Mom und ich fertigten Schnittbögen an, indem wir Kleidungsstücke, die mir passten,

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