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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
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auf Zeitungspapier nachzeichneten. Fast jedes außergewöhnliche Stück, das ich trug, war entweder von mir selbst oder speziell für mich gemacht worden. In gewisser Weise ist das heute noch so.
    In Arkansas sog ich begierig alles auf, was mir wie Subkultur vorkam und wozu ich irgendwie Zugang hatte. Im Wesentlichen waren das alte Fernsehshows, alte Zeitschriften und alte Musik. Ich war förmlich vernarrt in die Geschichten, die mir Mom über ihren Schulfreund Dan erzählte, der es geschafft hatte, aus unserem Heimatbezirk White County auszubrechen, genau wie ich später. Auch wenn wir uns nicht kannten, beeinflusste er mich, und ich wollte sein wie er. Als er noch ein Kind war, wurde er verhaftet, weil er das Wort »War« auf Stoppschilder gesprüht hatte. Kapiert? Damit hieß es »Stop War« . Anfang der Achtziger war Dan längst weg und lebte als Künstler in Seattle, Washington. Und so begann ich, mich immer stärker für den Nordwesten zu interessieren.
    Als ich auf die Highschool kam, wurde ein Mädchen, das ich bisher nur am Rand wahrgenommen hatte, eine meiner wichtigsten Freundinnen. Crystal war lustig und eigentlich immer am Lachen, und wir hatten sehr viel Spaß zusammen. Lustige Menschen sind mir die liebsten. Irgendwo in meiner Fotokiste gibt es ein Bild von uns, auf dem wir identisch gekleidet sind. Wir besaßen dieselben R.E.M.-T-Shirts. Zusammen gestalteten wir ihr Zimmer um, während wir uns immer wieder auf Kassette Incesticide von Nirvana anhörten. Nirvana war in der achten Klasse unser Soundtrack. Tagelang verschönerten wir ihre rosafarbene Ballerinatapete mit Straßenmalfarbe und fixierten die Kreide mit Lack, damit sie hielt. Zwei Sommer lang waren wir unzertrennlich, doch am Ende der neunten Klasse lernte Crystal einen Jungen kennen, und ich bald darauf ebenfalls.
    Ich traf Anthony im Schulbus. Ich hatte ihn schon seit der Junior High immer mal wieder in der Gegend gesehen. Er war mir mit seinem Nirvana-T-Shirt aufgefallen. Niemand sonst hatte so eins, nicht mal ich. Ich fand Anthony ziemlich cool. Er trug ausgelatschte Armeestiefel und hatte lange Haare. Als wir zusammenkamen, trug er immer noch sein Nirvana-T-Shirt, das ausgewaschen noch besser aussah. Auch die ollen Armeestiefel mit den ausgefransten Schnürsenkeln hatte er noch an, seine langen coolen Haare hatte er aber abgeschnitten. Sein Dad hatte ihn vor die Wahl gestellt: entweder lange Haare oder ein Auto. In Judsonia fiel eine solche Entscheidung nicht schwer. Trägt man eine Frisur, für die man Prügel kassiert, und verzichtet dafür auf das Fahrzeug, mit dem man seinen Peinigern entfliehen kann, oder schneidet man sich die Matte und gewinnt an Bewegungsfreiheit?
    Eines Tages brachte ich endlich den Mut zusammen, Anthony anzusprechen: »Magst du Punkmusik?« Er war so süß und so schüchtern, dass er bloß nickte. Ich fragte ihn, ob er zu einem Konzert mitkommen wolle. Erneutes Nicken. Als er mir seine Telefonnummer gab, tat ich ganz cool, fühlte mich aber total angespannt, denn ich hatte keine Telefonnummer, unter der ich sicher erreichbar gewesen wäre – ich wusste nicht einmal, wo ich an diesem Tag übernachten würde.
    Eine Woche später waren wir Freund und Freundin und blieben drei Jahre zusammen. Nach der Schule ging ich anderthalb Kilometer zu Fuß zur Telefonzelle, um ihn anzurufen. Es war wahnsinnig deprimierend, wenn er nicht da war. Noch schlimmer war es, wenn er im Bad war und duschte. Ein Anruf kostete zehn Cent. Wenn ich zwei Zehn-Cent-Münzen hatte, konnte ich eine Weile warten und es noch einmal versuchen, aber oft hatte ich nur eine, die ich auf dem Weg zum Telefon fest umklammert hielt.
    Anthony und ich hatten eine wirklich schöne Beziehung. Ich erzählte ihm von meinem Onkel und dass ich mich nicht mal daran erinnern könne, jemals Jungfrau gewesen zu sein. Anthony war Feminist und gab sich Mühe, meine Gefühle zu verstehen. Wir beide mochten ähnliche Musik und tauschten Mixtapes aus, wodurch sich jeweils der Bestand unserer Musiksammlungen verdoppelte. Ähnlich war es mit unserem Wissen über Musik durch unsere endlosen Gespräche. Er spielte Gitarre, ich sang gern, und so beschlossen wir, die beschissenste Band aller Zeiten zu gründen: Little Miss Muffet. Den Bandnamen hatte Anthony sich ausgedacht.
    Little Miss Muffet war so albern. Wir hatten einen Song mit dem Titel »Ziggy Nut«. Ich

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