Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ditto Beth
Vom Netzwerk:
Busfahrt zur Schule war mein Kopf wie in Watte gepackt, und ich weiß bis heute nicht, wie ich den Weg ins Klassenzimmer fand. Ich saß an meinem Tisch, genau hinter meiner besten Schulfreundin, und bekam zwar mit, dass der Lehrer zu Beginn der Schulstunde zu reden anfing, doch ich konnte nicht reagieren – als befände ich mich im Wachkoma. Mein Gehirn arbeitete normal, aber meine Körperglieder und mein Mund empfingen dessen Befehle nicht. Als ich versuchte, meiner Freundin auf die Schulter zu tippen, war ich wie gelähmt. Ich schien eine Ewigkeit zu brauchen, diese kleine Bewegung auszuführen, bis ich es endlich schaffte, auszuholen und meine Freundin mit meiner Hand zu berühren. Dann verengte sich mein Blick immer mehr, bis irgendwann alles vor meinen Augen schwarz wurde. Das Nächste, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich auf einer Krankentrage lag und nach Luft schnappte, weil ich die ganze Zeit schrie wie am Spieß. Natürlich nahmen alle an, ich sei auf Drogen, schließlich war ich musikfanatisch, hatte schwarze Haare und trat für das Recht auf Abtreibung ein. Mitzukriegen, dass sie so dachten, verstärkte noch meine Beklemmung. Von der Schule aus ging ich schnurstracks ins Krankenhaus, wo man mich für die nächsten fünf Tage gleich dabehielt. Mein Zustand verschlechterte sich, woraufhin die Ärzte bei mir einen Gehirnscan durchführten. Ich verlor die Fähigkeit, deutlich zu sprechen, und entwickelte ein Stottern, das drei Monate lang anhielt. Die Testergebnisse waren alle negativ. Weil die Ärzte nicht wussten, was mit mir los war und was sie machen sollten, verschrieben sie mir Antidepressiva und schickten mich wieder nach Hause.
    Ohne meine Freunde fühlte ich mich in die Einsamkeit zurückgestoßen. Ich brauchte dringend jemanden, der sich um mich kümmerte.
    Einige der körperlichen Symptome ließen nach einer Weile wieder nach, doch die innere Unruhe blieb. Ich konnte wieder sprechen. Entgegen allen Erwartungen kam ich wieder auf die Beine und machte meinen Schulabschluss.
    Es war Kathy, unser aller Retterin, die mir mein Flugticket nach Washington State besorgte. Ich gehörte nicht nach Arkansas, keiner von uns tat das. Und Kathy war eine Arbeiterin, eine Macherin. Sie hatte einen Job in einem Fast-Food-Restaurant und meinte, sie könnte mir auch einen Job dort besorgen, und im schlimmsten Falle könnte ich mir von dem verdienten Geld jederzeit ein Rückflugticket kaufen. Das schien mir ein narrensicherer Plan zu sein; ich würde dabei so oder so gewinnen. Gesagt, getan, Kathy belastete ihre Kreditkarte bis zum Limit, und meine drei besten Freunde machten sich auf die Suche nach irgendeiner Behausung, die wir uns leisten konnten.
    Ich hatte das Gefühl, dass es mir helfen würde, Abstand von Arkansas zu bekommen. Ich fühlte mich schon erleichtert, wenn ich nur daran dachte. Der Weggang meiner Freunde hatte mich mit einem Loch im Herzen zurückgelassen, das ich füllen musste.
    Ich hatte nicht vor, lange in Olympia zu bleiben. Ich würde nur zu Besuch kommen und ein paar Hotdogs verkaufen. Danach würde ich wieder nach Arkansas zurückkehren, endlich ein Baby bekommen und dann dort bleiben, wo ich mich am besten auskannte. Ich trennte mich nicht von Anthony, ich hatte nicht das Gefühl, als ob ich wegziehen würde. Ich wollte nur ein bisschen Urlaub machen und die Freunde besuchen, die ich so sehr vermisste. Meine Mutter spürte dank ihrer übersinnlichen Fähigkeiten gleich, dass die Zukunft anderes für mich bereithielt. »Du kommst nicht wieder«, sagte sie nüchtern. Ihrem Tonfall nach zu urteilen, war das weder gut noch schlecht. Es war eine Tatsache. Mom wusste es. »Mach dich darauf gefasst, dass du nicht wieder nach Hause zurückkommst.« Ich konnte ihr nicht widersprechen. Etwas stieg in mir auf, zog mich in einen anderen Teil des Landes. Es war ein sehr starkes Gefühl, das mich durchströmte. Ich zog hinaus in mein neues Leben.

SECHZEHN
    16
    EIN HIGHSCHOOL-ABSCHLUSS ist ein Riesengeschäft – für die Firma, bei der man das Barett und den Talar kauft, aber auch für geschäftstüchtige Absolventen, wie ich eine war. Man muss Einladungen für seine eigene verdammte Abschlussfeier kaufen. Der Trick ist, sie an alle möglichen Leute zu schicken – zum Beispiel entfernte Verwandte, die man teilweise selbst kaum kennt. Meistens bekommt man im Gegenzug

Weitere Kostenlose Bücher